seniorweb.ch, 28. November 2023

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Ja zu Tests für Senioren mit schnellen E-Bikes

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Der alte Herr Ruedi Z. (Name geändert) fuhr lange mit seinem Velo durchs Berner Quartier. Dann wurde dem Betagten das Trampen zu mühsam Nun benutzte er seinen alten Göppel als Rollator. Ein Velo ist keine Gehhilfe. Herr Z. tappte mit seinem rostigen Gefährt unsicher durch die Gegend. Vor wenigen Wochen begegnete ich Ruedi Z. wieder. Nun war er mit einem E-Bike unterwegs, einem schnellen 45er mit gelber Nummer. Schneidig fuhr er die Strasse entlang. Wie er die anschliessende scharfe Kurve nahm, wie er dann die Kreuzung meisterte, sah ich nicht mehr, ahnte aber Gefahr.

 

«Der Bund will die Sicherheit der E-Bike-Fahrenden verbessern», schrieb Mitte November das Bundesamt für Strassen (Astra). Das Amt will zuerst ermitteln, welche Fähigkeiten nötig sind, um mit einem E-Bike zu fahren. Dann wollen die Behörden mit den Verbänden und Fachstellen aushandeln, ob ein Test, eine Prüfung, Fahrstunden oder eine Kombination nötig sind. Die Hürden sollen nach Alter und Art des Bikes angepasst werden. Dies kann bedeuten, dass bloss Leute überprüft werden, die mit einem E-Bike mit einer Maximalgeschwindigkeit von 45 Stundenkilometern unterwegs sind. Wer ein langsameres 25er-Gefährt benützt, wäre nicht betroffen.

 

Zwischenhalt I. Die Meinung des Autors: Ja, für 45er-E-Bike-Fahrer und -Fahrerinnen braucht es solche Prüfungen. Diese Gefährte sind in der Stadt gleich schnell wie Autos oder Töffs. E-Biker, die mit einem solchen Tempo durch die Stadt speeden, brauchen mehr als den vorgeschriebenen Helm und die Haftpflichtversicherung: mehr Können, mehr Übung, mehr Verantwortungsbewusstsein.

 

E-Bikes boomen. Die Kehrseite dieser Steigerung sind die vielen Unfälle. Letztes Jahr haben die Händler 220’000 E-Bikes verkauft. Unterdessen haben fast die Hälfte aller neuer Velos einen Elektroantrieb. Entsprechend stieg die Zahl der Unfälle. 2300 waren es letztes Jahr, 2018 verunglückte bloss die Hälfte.

 

Zwischenhalt II. Jetzt sind die üblichen neudeutschen Whataboutismen fällig. Nämlich: Was ist mit den jüngeren Benützern oder mit den E-Trottis? Und was ist mit den E-Rollern, den getunten Zweirädern  mit den fetten Pneus? Alles klar, alles wahr. Aber nur weils auch andere Missstände gibt, soll man nicht darauf verzichten, einen besonders gefährlichen zu beheben. Dass Senioren mit den elektrischen Raketen-Bikes besonders gefährdet sind, beweist die Statistik.

 

Die Beratungstelle für Unfallverhütung (bfu) hat ermittelt: Bei gleich vielen Kilometern kommt es bei E-Bikes zu doppelt so vielen schweren oder tödlichen Unfällen wie bei herkömmlichen Velos. Ausserdem: Für Seniorinnen und Senioren ist das Risiko vier Mal grösser bei einem Velounfall zu sterben. Und schliesslich: Wenn sie stürzen, erleiden sie häufiger schwere Verletzungen als Jüngere.

 

 E-Bikes mit gelber Nummer fahren in der Stadt so schnell wie Autos.

 

Zwischenhalt III. Wir Senioren müssen uns halt selber in die Nase kneifen. Unsere Reaktionsfähigkeit, unsere Konzentration, unsere Beweglichkeit nehmen ab. Schleichend und darum für uns unauffällig. Deshalb ist Velofahren im 45er-Speed-Modus für uns zu gefährlich. Klar gilt das nicht für die AHV-Einsteigerin, die den Ärmelkanal durchschwimmt oder den Jungrentner, der die Stufen der Niesen-Bahn hochrennt. Aber das sind Ausnahmen.

 

Wer ein schnelles E-Bike ersteht, erfährt vom Verkäufer, wie er die verschiedenen Fahrmodi bedient und wie er den Akku auflädt. Fertig. Aber das genügt nicht. Leute, die vorher nur wenig Velo gefahren sind, sitzen nun auf einem potenten Teil, das mit Autogeschwindigkeit losbraust. Wenn die Sterne gut stehen, erwerben die Einsteiger Routine. Wenn nicht, bumst es häufig, oft mit schweren Folgen.

 

Zielort. Wenn wirs das grösste Risiko vermindern wollen, braucht es Tests für Fahrerinnen und Fahrer von E-Bikes mit 45 Stundenkilometern Spitze. Nötig sind echte Fahrprüfungen, nicht bloss jene ärztlichen Kontrollen, welche die älteren Autolenkerinnen und -lenker zu bestehen haben. Für die Besitzer von Gefährten, die bloss 25 Stundenkilometern zulassen, erübrigen sich solche Kontrollen – nicht zuletzt, weil die gemütlicheren E-Zweiräder vielen Seniorinnen und Senioren erlauben, weiterhin mobil zu bleiben.

 

Gesterm habe ich Herrn Z. wieder gesehen. Ohne E-Bike, sondern im 21er Bus über Bremgarten nach Kirchlindach. Ob die Vernunft gesiegt hat? Hoffentlich.


Was meinen die Seniorweb-Leserinnen und -Leser? Soll alles beim Alten bleiben? Sollen nicht nur Senioren, sondern auch andere E-Velofahrerinnen und -fahrer Tests bestehen müssen? Unsere Kommtarspalten sind offen.