Jetzt ist November, grau, trüb, melancholisch. Das hat mich bewogen, wieder mal den alten Rührschinken anzusehen, «Titanic». Ein flüssiger Film, viel
Wasser, viele Tränen. So wie die im Film möchte ich auch leben, dachte ich. Nicht wegen der schönen Kate Winslet oder dem attraktiven Leonardo
DiCaprio, auch nicht wegen dem wunderbaren Schiff und dessen hochnobler Luxusklasse. All das lockt mich nicht sehr – zumal der Schluss ja auch nicht
wirklich erstrebenswert ist. Sondern weil in diesem Film alles so wunderbar zügig vorankommt.
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Erster Blick, erster Kuss, letzte Umarmung, nach etwas mehr als zweieinhalb Stunden ist alles erledigt. Anders als in unserem Alltag hats im Film keine
Langeweile, keine Warterei. Kate Winslet steckt nie am Abend am Grauholz im Stau. Leonardo DiCaprio muss nicht vor der Gelateria di Berna
weissgottwielange aufs Glacé warten. Unser Leben ist langweilig, weil keine Regisseurin die stieren Langstreckenfüller vermeidet.
Ohne die nervtötenden Wiederholungen und die langweilige Routine gäbe doch auch unser Leben Stoff für einen Blockbuster wie «Titanic». Der
Kassenschlager würde hochspannend mit der Szene beginnen, in der wir ein Kind aus den Flammen retten. Dann, Schnitt, hochdramatisch, holen wir die
unfähige Chefin vom Sockel, hochemotional zeigt der Film den Sonnenuntergang hinter dem Uetliberg, hocherotisch endet er mit der Episode im Hotel.