Corona hat seit 2021 Bestattungsmessen verhindert. Nun kann das Publikum wieder an solchen Veranstaltungen teilnehmen.
Kürzlich: die Berner Bestattungsmesse am 11. März
Kurz vor meinem Besuch erzählt mir eine Bekannte, was sie beim Begräbnis ihrer Mutter erlebt hat. Der Pfarrer habe statt einer Trauer- eine Jubelrede gehalten und erklärt, dass die Verstorbene eine Frau gewesen sei, die alles für ihre Familie getan habe. Sie habe nach Höherem gestrebt. Aus Rücksicht auf die Kinder sei der Aufstieg unmöglich geworden. «Sie ist viel gereist und hat ihren Bekanntenkreis mit packenden Erzählungen unterhalten.» So und weiter so, habe der Herr Pfarrer getönt.
Die Lobrede war, nun ja, ziemlich daneben. Sie sei in der Kirche fast aufgestanden und davongerannt, erzählt mir die Tochter. «Die Mutter hat sich mehr schlecht als recht um uns, ihre beiden Kinder, gekümmert.» Der Drang nach Karriere sei nicht durch ihre familiären Verpflichtungen, sondern durch ihre beruflichen Misserfolge gestoppt worden. «Die Reise-Erlebnisse waren ermüdende Schilderungen der Busfahrten durch den Schwarzwald», erinnert sich die hinterbliebene Tochter an ihre Mutter.
Derart vorbelastet kam ich zur Bestattungsmesse ins Hotel Kreuz in der Berner Innenstadt. Vorgewarnt zwar, aber mit vagen Vorstellungen. Bisschen Schummerlicht, bisschen Orgelklänge, viele Kerzen, erwartete ich. Alles falsch. Die Stimmung im Saal ohne Tageslicht im Untergeschoss des Konferenzzentrums ist eher ernüchternd. Fünf Vorträge ergänzen das Programm. Wie zu erwarten, ist das Publikum älter und alt. Ob die hochschwangere Frau einen Stand betreut oder sich nach ihrer letzten Ruhestätte erkundigt, bleibt offen. Abgesehen vom Personal bin ich fast der einzige Mann.
Die meisten Berner Bestattungsunternehmen beteiligen sich nicht an der Messe. Trotzdem ist der Raum mit 14 Ständen gut gefüllt. Die Frau mit den gefilzten Urnen ist da. Sie zeigt auf das kleine Gefäss in meiner Hand. «Wenn Sie hier die Asche von zwei Personen aufbewahren wollen, genügt diese Urne nicht», sagt sie. Nebenan erklärt der Anbieter der digitalen Vorsorgeplanung tooyoo.ch die Vorteile seines Produkts gegenüber den gängigen gedruckten Formularen. «Änderungen sind viel einfacher nachzutragen,» erläutert er. IT hat auch beim Bestattungswesen Fuss gefasst. Über Lapidaris kann man für die Nachwelt seinen Lebenslauf, Fotos, Videos und anderes mehr hochladen. Unter anderem über einen Chip auf dem Grabstein sind diese digitalen Sammlungen per Smartphone abrufbar.
Die kleineren Filzurnen eignen sich nur für die Asche einer Einzelperson. Bild zvg
Ein Bestattungsunternehmen präsentiert eine gedruckte «Speisekarte» und lädt damit zu einer «gedanklichen Reise» durch das Begräbnisgeschehen ein. Als Sprachbild ist das zwar nicht ganz geglückt, aber die Hinterbliebenen wissen schon, was gemeint ist. Weiter empfiehlt sich eine Trauerrednerin. Die «Swiss Spiritualist Church» bietet unter anderem Gottesdienste an und ermöglicht, gemäss Eigenaussage, «direkte Kommunikation mit den Lieben im Jenseits». Das Berner Unternehmen Aurora wirbt für sein Bestattervelo. Seniorweb hat darüber bereits berichtet. Mit dem E-Lastfahrrad können Särge mit Verstorbenen transportiert werden. Vertreten ist auch Remetals, eine Firma, die für Krematorien Metall recycliert.
Am Schluss des Rundgangs treffe ich Johannes Ruchti. Er organisiert mit seinem Bestattungsunternehmen Funus in Horw LU die Berner und andere Bestattungsmessen. Die nächste ist am 25.März im Aargauer Kultur- und Kongresszentrum. Der Funus-Chef sagt, was man von ihm erwartet: Er freue sich über die vielen Besuchenden, deren positiven Reaktionen und über die guten Feedbacks der Standbetreiber. «Ich hätte mir noch eine Anwaltskanzlei gewünscht, die Hilfe bei Erbschafsfragen vermittelt», ergänzt er.
Johannes Ruchti ist auch Trauerredner. So frage ich ihn, was er vom Problem meiner Bekannten hält, vom Schrecken der Tochter, die bei der Beerdigung ihrer Mutter eine undifferenzierte Lobeshymne hören muss. Johannes Ruchti: «Der Pfarrer hätte sich mit den Angehörigen verständigen müssen. Eine Trauerrede muss für alle Beteiligen stimmen.»
Bald: in Aarau ist die Messe am 25. März
Erst nach meinem Besuch in Bern sehe ich, was für die kommende Messe im Aargauer Kultur- und Kongresshaus unter anderem vorgesehen ist: Probeliegen im Sarg. Wettbewerb: Gewinnen Sie einen Sarg. Neu: Erster Selbstbausarg der Schweiz.
Uff, ich musste leer schlucken, als ich das las. Erste Reaktion: Wenn wir den Tod enttabuisieren, ist auch Ungewohntes möglich. Als zweites bemerkte ich allerdings, dass sich bei mir allerlei unerwünschte Gedanken festsetzen: Soll ich den Sarg nach Ikea-Manier in der Stube zusammensetzen – und vielleicht scheitern? Beim Probeliegen sehe ich Comics-Situationen vor mir, die «Adams Family» etwa.
So ein richtiges Gaudi wünsch ich mir weder bei meiner Beerdigung noch
bei der Bestattungsmesse.