Berner Zeitung, 30. November 2016
Männer in den Radwechseljahren
Die Mammuts sind tot. Die Römer haben wir besiegt, na ja, wenigstens ein bisschen. Bei Morgarten haben wir Steine auf die fiesen Habsburger geschmissen. Karl den Kühnen haben wir verjagt. Am
Grauholz war das mit den Franzosen. War ja letztlich nicht so toll, aber immerhin. Im Ersten Weltkrieg haben wir mit Gilberte de Courgenay, im Zweiten mit General Guisan und HD Läppli die Grenze
verteidigt. Alle Schlachten sind geschlagen, alle Bedrohungen abgewehrt. Was haben wir Schweizer Männer jetzt noch zu tun?
Räder wechseln. Zweimal im Jahr, jetzt und dann wieder im Frühling, können wir beweisen, was in uns steckt: präzise Fingerfertigkeit, unbändige Kraft, der Wille, die Maschine zu
bezwingen. Ein Weichei, wer dieses Gefecht mit der Technik für 40 Franken der Garage überlässt. Wenn wir Männer nicht mehr ganz jung sind, kommen wir in die Wechseljahre, in die Radwechseljahre.
Wir steigen in die ausgebeulten Jeans vom vorvorletzten Jahr. Wir schnüren die hohen Schuhe. Wir holen die Gartenhandschuhe, nein, nicht jene mit dem Blümchenmuster. Wir
schlüpfen in den Pullover, den die Schwiegermutter gestrickt hat, nein, nicht in jenen mit dem Häsli drauf. Wir verabschieden uns von Weib und Kind. Der Mann, das Auto, der Kampf.
Wir siegen trotz unzulänglicher Waffen. Früher waren Wagenheber schwere grosse Dinger. Bei Morgarten hätte man mit denen reihenweise Ritterrüstungen knacken können. Heute liefern
die Hersteller ihre Fahrzeuge mit putzigen Werkzeuglein aus, der Wagenheber erinnert an eine zu gross geratene Zigarre. Schiebt man das unscheinbare Stücklein Eisen mithilfe der Betriebsanleitung
und filigraner Geschicklichkeit unter das Auto, glaubt man nicht, dass so ein harmloses Teil das Fahrzeug stemmen kann.
Doch. Denn wir Männer können auch mit solchen Kinkerlitzchen Grosses vollbringen. Wir kurbeln, und das tonnenschwere Fahrzeug ruckelt, stöhnt, ächzt und hebt sich dann
millimeterweise. Durch uns, Männer, Bezwinger der Technik. Wir fühlen uns eins mit den Mammutjägern. Die haben ein tonnenschweres Viech zu Fall gebracht. Wir hieven tonnenschweres Eisenblech in
die Luft. Immer wieder. Gut, haben wir nicht bloss einen Töff. Schade, haben wir keinen Dreiachstruck mit Anhänger.
Schraubenschlüssel, Öl im Gesicht und die bewundernden Blicke der Nachbarin, was braucht ein Mann mehr? Ja, es gibt Probleme, die sich nicht so leicht lösen lassen wie
festsitzende Muttern von der Schraube. Aber zweimal im Jahr, jetzt und im Frühling, können wir Männer die allerschwersten Probleme einfach mit etwas Kurbeln wegdrehen.