Berner Zeitung, 14.November 2016
Im dunklen Reich der Einkaufszentren
Ein etwas ausgedehnterer Einkauf in einem Supermarkt, Migros, Coop, Aldi, Lidl, ist ja immer auch ein Ausflug ins Reich der Rätsel.
Die Wägeli-Frage. Es beginnt bei den Einkaufswagen. Weiss irgendjemand, wie man die ineinandergeschobenen Wägeli-Haufen nennt? Wägeli-Wulst, Einkaufswagen-Schlange, Poschti-Charre-Cluster? Vor etlichen Jahren stand ein ähnliches Problem im Raum. Wie nennt man die Dinger, mit denen man sich an der Kasse von der Vorderfrau und vom Hintermann abgrenzt? Das Rätsel ist unterdessen gelöst. Korrekt ist: Einkaufstrennstab.
Das Oma-Mysterium. Gerne werben die Händler mit dem Hinweis, dass dies und jenes nach Grossmutters Rezept entstanden sei. Oft verzieren sie das Produkt mit einem Oma-Bildchen. Zu sehen ist eine nette ältere Dame mit roten Bäckchen, gütigem Blick, weisser Rüschenschürze und runder randloser Brille. Solchermassen illustriert kommt etwa ein Schoggi-Ananas-Mango-Kuchen ins Regal. Historisch Interessierte könnten den Grossverteiler darauf hinweisen, dass zu Omas Zeiten wohl Schokolade und selten auch Ananas zu haben waren. Dass aber sicher keine Mangos über den Ladentisch gingen. Als Antwort bekäme man dann wohl die Information, dass halt auch die heutigen Grossmütter mitgemeint seien.
Die Licht-Magie. Rätselhaft für uns Kunden, nicht aber für Verkaufspsychologen, ist der Lichterzauber. Käse ist anders ausgeleuchtet, als frischer Fisch, dieser anders als Fleisch oder Gemüse. Dort beim Grünzeug trifft man auch die Frau, die den Laden nach Bio und Öko absucht (Knospe, Naturaplan, Heidi, Fair Trade). Sie ist mit ihrem Stadtpanzer hier (Porsche Cayenne, 420 PS, Verbrauch 14.6 Liter).
Das Hausmacher-Labyrinth. Hausgemacht steht auf den Nudeln, dem Kuchen und der Wurst. Weil man sicher ist, dass all dies nicht aus dem Industriebetrieb kommt, greift man zu und verlässt sich darauf, dass hunderte, nein tausende Männer und Frauen zuhause am Herd im Auftrag von Coop, Migros und Aldi backen, wursten und nudeln. Nicht auszudenken, wenn Hausgemachtes aus der Fabrik käme. Wäre ja Schwindel.