Berner Zeitung, 9.2.2015


Von Mäusen und Menschen



Die Wissenschaft lehrt uns, die Welt besser zu verstehen. Sie lehrt uns aber auch das Fürchten. Nämlich: Die neue Sparte der Epigenetik hat bei Mäusen beobachtet, dass diese konkrete individuelle Erlebnisse vererben. Wenn Mama Maus zum Beispiel gelernt hat, einen bestimmten Geruch zu meiden, wird Klein Mausilein das Gleiche tun. Jetzt endlich wissen wir, warum Mäuse die Katzen nicht riechen können.


So weit, so gut. Aber wir müssen weiterdenken. An uns nämlich. Was bei Mäusen gilt, haben doch auch wir im Blut und in den Genen. Epigenetisch betrachtet bedeutet dies, dass sich Mamas und Papas Geruchsvorlieben auf die Sprösslinge übertragen. Und damit beginnen die Probleme. Geruch- und Geschmackquelle Nummer eins, das Rauchen, haben wir uns ja glücklich abgewöhnt.


Aber was ist mit Schabziger, Harzer Roller, Chnobliwurst, Kohl, Rollmops, Sardinen und Roquefort? Müssen wir, um unsere Jugend geschmacksneutral aufs Leben vorzubereiten, künftig auf all diese Emissionsbomben verzichten? Und jetzt im Winter Fondue: verwandelt mühelos ganze Wohnungen in olfaktorische Sperrgebiete. Hat früher, gemäss längst verblichener Werbung, für gute, gute Laune gesorgt.


Sorgt Fondue heute für genetische Missbildungen? Und um das Thema bis zum bitteren Ende auszureizen: Alkohol. Haben wir auf Wein, Bier und Co. zu verzichten, um zu verhindern, dass das Baby statt in den Schoppen zu tief ins Glas schaut?


Das ist Worst Case, gewiss. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Epigenetik unser Dasein auch verschönern kann. Die kontrollierte Geruchsvererbung machts möglich. Zämeha, zämestah: Wenn wir alle ab sofort auf Kebab verzichten, haben wir es in ein paar Jahrzehnten geschafft. Unsere Nachkommen verstinken mit der Fleisch- und Zwiebelwaffe nicht mehr Tram und Bus.
peter.steiger@bernerzeitung.ch
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