Berner Zeitung, 16.11.2015
Was man so alles lernt
Wenn man auf die Welt kommt, lernt man ganz rasch ganz viel ganz Wichtiges. Dass man, wenn man schreit, den Schoppen bekommt etwa. Wenig später lernt man, dass es schlau ist, wenn man die Finger
nicht auf die heisse Herdplatte legt. Etwa zur gleichen Zeit erfährt man, wie eine konsequente Haltung das Menü verbessert. Wer dreimal den Spinat auf den Boden schmeisst, darf sich freuen, dass
er die Fischstäbli nun solo essen kann.
Schummeln. In der Schule flacht die Kurve dann ab. Im Wesentlichen lernt man dort, wie man sich durchschummelt. Den Bachelor hat man, wenn man weiss, wie man Prüfungsresultate
optimiert. Optimieren, diesen Ausdruck habe ich von VW. Dankeschön nach Wolfsburg. Wir haben ja einen Volkswagen mit einem Dieselmotor, auch bekannt als Stickoxid-Gebläse.
Mauscheln. Die einst angesehene Firma hat uns mitgeteilt, dass die Software die Abgaswerte optimiert. VW hat betrogen und verkauft das als Optimierung. Für wie blöd halten uns die
Marketing-Fuzzis eigentlich? Wenn ich mit 80 durch die 30er-Zone bloche, optimiere ich den Fahrgenuss. Wenn ich der gebrechlichen Nachbarin das Handtäschli entreisse, optimiere ich meine
Besitzverhältnisse.
Schwindeln. Den Schummel-Bachelor holt man in der Schule. Den Master jedoch verleiht das Leben. Bei der Stellensuche etwa. Hier ist es wichtig, dass man den Arbeitgeber im
Glauben lässt, dass man den Job eigentlich gar nicht will. Dann erhält man ihn – um später zu merken, dass man ihn eigentlich nicht wollte. Ähnlich verhält es sich auf der Balz. Wenn man der
Traumfrau, dem Traummann Desinteresse signalisiert, bekommt man sie oder ihn. Um festzustellen, dass man besser wirklich desinteressiert gewesen wäre.
Lügen. Weil der Kolumnenplatz bedrohlich eng wird, jetzt in geraffter Form: Bei der Arbeit gebe ich vor, dass ich beschäftigt bin, weil ich sonst mehr Büez bekomme. Beim Militär
bin ich vermeintlich krank, damit ich nicht einrücken muss (Az disp). Beim Sex täusche ich einen Orgasmus vor, um im Bett der Held zu bleiben.
Täuschen. Im Szenelokal lobe ich das Essen («Wie hats dir geschmeckt?»), weil mich sonst die übellaunige Studentin nicht bedient. Der teure Wein begeistert mich, damit ich nicht
als Banause gelte. Nach der öden Theateraufführung klatsche ich, weil ich froh bin, dass sie vorbei ist. Die Kebap-Bude finde ich toll, weil ich sonst den Nazi-Hammer kriege.