Berner Zeitung, 6.2.12
Aus Steiger
Rentner-Sex. Oder lieber rostige alte Liebe als gar keine.
Jetzt ist es öffentlich: Costa-Concordia-Kapitän Francesco Schettino wollte mit seiner 290-Meter-Liebesschaukel die junge Blondine beeindrucken. Das ist bei aller Tragik komisch. Zumal der
Käpt'n, jetzt, wo er ohne Mütze und stattdessen mit bluttem Bauch zu sehen ist, nicht mehr wirklich sexy aussieht. Man könnte ein Berlusconi-Syndrom oder ein italienisches National-Gen vermuten.
Wahrscheinlicher ist aber die Formel, dass Männer und Frauen umso bizarrer scharren, je älter sie sind.
Oder was Balzen im Herbst. Männer nicht verraten wollen. Womit das Thema eingeführt wäre: das Balzverhalten von Rentnern und Rentnerinnen. Die folgenden Beispiele sind dank der
gütigen Hilfe von Kolleginnen und Bekannten entstanden, alles Frauen. Wir Männer äussern uns offenbar nicht gerne zu diesem Thema.
Schnäppchenjagd. Oder der verräterische Pullover. Sie schenkt ihm, dem anderweitig verheirateten 66-Jährigen, einen teuren Kaschmirpullover und spannende Unterwäsche. Nun muss er
zu Hause erklären, wie er zu diesen erlesenen Stücken gekommen ist. «Ausverkauf», sagt er. Wie geht der immer wieder gern gehörte Reim? Schnipp, schnapp, äh, Schnäppchenjagd.
Teufelsbraten. Oder die heilige Messe und das Sonntagsmahl. Er geht sonntags zur Messe. Nicht immer, aber immer öfter. Schliesslich will man sich als 68-Jähriger dort oben schon
mal gut einführen. Sie empfängt derweil ihren Liebhaber. Auch Reformierte wissen: Die heilige Messe dauert. Das ist somit nicht das Problem. Sondern das Sonntagsmenü. Die gepflegte Tafel
erfordert die Frau am Herd. Der Lover verlangt die Frau im Bett. Fleischliche Gelüste der einen oder anderen Art locken. Wie kann man beide vereinen? Wir wissen es nicht. Doch eines ist klar: Der
Teufelsbraten schafft es, den Sonntagsbraten stets pünktlich auf den Tisch zu bringen.
Später Frühling. Oder Untreue stinkt weniger als ein ungewaschener Mann. Der Finanzchef eines mittleren Betriebs ging vor anderthalb Jahren in Pension. Eine Katastrophe. Von
hundert auf null. Vorher hatte er Millionen herumbugsiert. Jetzt schob er das Einkaufswägeli durch die Migros, und statt der Lohnsumme von 384 Mitarbeitern kontrollierte er den Kassenbon über Fr.
113.45. Er lässt sich fallen. Die klassischen Männersymptome: Trainingsanzug, Bauch, strenger Geruch. Doch dann kommt die Wende: elegantes Outfit statt Trainer, Fitnesszentrum statt Bauch,
zweimal täglich duschen statt Geruch. Seine Frau freut sich. Doch zu früh. An einem unschönen Dienstagmorgen entdeckt sie die verräterischen SMS auf seinem Handy. Er hat eine Freundin. Sie ist
schockiert und will ihn zur Rede stellen. Dann lässt sie es sein. Lieber einen untreuen Mann als violetter Trainer, Schwabbelbauch und Ausdünstungen.