Berner Zeitung, 24.10.2012


Bühnen-Greise ordnen den Beifall falsch ein

 

Vergangene Woche hat der Maler, Dichter und Erzähler Timmermahn im Berner Theater im National seinen 70. Geburtstag gefeiert. 800 Besucher freuten sich über einen vierstündigen Gratisanlass. Viele prominente Gäste traten auf, Polo Hofer und Beat Schlatter etwa. Ja klar, natürlich, Alex Tschäppät war auch auf der Bühne.

 

Die Veranstaltung umschiffte einigermassen unbeschadet die Jubelklippen. Die Lobpreisungen des Geehrten waren meist kurz und oft sogar lustig. Höhepunkt war der Auftritt von Claude Criblez, einem der beiden Flügzüg-Artisten, mit seinen Ballonfiguren.

 

Der Abend war keine Tschüss-Gala. Timmermahn, der Fastalleskönner aus Rüeggisberg, ist weiter aktiv. Das fette Jubiläum weckte aber Erinnerungen an Abschiedsanlässe. Mein Alter bringt es mit sich, dass ich schon etliche dieser wehmütigen Veranstaltungen besucht habe, von Hans Dieter Hüsch über Kurt Marti bis Georg Kreisler.

 

Die Jetzt-oder-nie-mehr-Vorstellungen laufen eigentlich immer gleich ab. Man staunt, dass die greisen Künstler immer noch einigermassen präsent sind. Dass sie teilweise so weit hergereist sind und dass sie zwei Bühnenstunden überstehen. Man verdrückt eine Träne, beteuert sich gegenseitig, dass es die Rampensenioren immer noch bringen.
Und man weiss, dass es eigentlich ganz anders ist. Am Schluss des Abends beklatscht man nicht die Leistung, sondern Erinnerungen. Man bejubelt nicht das Gebotene, sondern freut sich, dass man noch besser intakt ist als der gebrechliche Mensch auf der Bühne.

 

Hauptsache, Applaus. Entscheidend ist doch, dass die Bejubelten die Anerkennung geniessen. Nein, stimmt nicht. Die Rampengreise ordnen den Beifall falsch ein. Sie glauben, dass das Publikum ihre Leistung würdigt. Dabei klatscht es bloss aus Mitleid. Wenn sie dies wüssten, würden sie wohl auf den Auftritt verzichten.

 

An der Timmermahn-Gala trat Polo Hofer auf. Das Publikum im ausgebuchten National klatschte begeistert. Nein, nicht nur aus Mitleid. Aber auch.