seniorweb.ch, 20. Februar 2024

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Das fette orange M magert ab

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Die Migros trennt sich von ihr bisher angegliederten Unternehmen. Gut oder schlecht? Wird der orange Koloss dadurch fitter? Oder sind die verstossenen Töchter ein Zeichen, dass die Familie Probleme hat?

 

Ich war ein Migros-Kind. Es muss in den Fünfzigerjahren gewesen sein als ich an der Hand der Mutter von Wiedikon zu einer der ersten Zürcher Migros-Filialen trippelte, wo sich Frau Steiger über die Selbstbedienung freute. Später zog ich mir nach dem Pfadi-Abend an der Sihlporte ein Schoggi-Glace aus dem Migros-Automaten. Nochmals nach ein paar Jahren besuchte ich in der Klubschule eine Lernfahrvorbereitung. Da sass man einem Pültchen mit Lenkrad und Fussbremse. Vorne lief ein Film mit einem Auto. Anhand der Fahrt des Autos musste man lenken oder bremsen. Nix Elektronik. Nachdem ich das Billett und einen alten Wackel-Döschwo erworben hatte, kaufte ich in einer frühen Do-it-Yourself-Filiale in Oerlikon die grüne Farbe, mit der ich das Fahrzeug bepinselte.

Ein Migros-Sohn also. Und jetzt verstösst das Unternehmen einen Teil seiner Töchter aus der Familie. Der Hotelplan verreist. Melectronic hat keinen Pfuus mehr. SportX wird vom Spielfeld verwiesen. Die Kosmetikfirma Mibelle bekommt Mitesser. Auch intern haben die Umbaumeister grosse Pläne. In den Do-it-Yourself-Filialen sollen neu Einkaufslandschaften Erlebnisse verschaffen. Allerdings brauche ich keine Erlebnisse, sondern Spanplattenschrauben verzinkt, Senkkopf, 3,5 x 25 mm. Die Migros in der Berner Länggasse schliesst das grosse Restaurant. Vermutlich um noch «besser die Bedürfnisse der Kundschaft zu erfüllen». Dabei gibs dort die besten hausgemachten Schwarzwäldertorten.

 

Für die Bewohnerinnen und Bewohner dieses Landes sind manche Institutionen Herzensangelegenheiten. Wir sind stolz auf die SBB und persönlich betupft, wenn die Dosto-Züge im Zürcher Hauptbahnhof im Sommer unterirdisch stinken. Wir bekommen feuchte Augen, wenn die Lenkrad-Artistinnen das gelbe Poschi mit trarütrara die enge Bergstrasse hinauflenken. Wir liebten die Swissair und schämten uns als Nestbeschmutzer als die Vögel nicht mehr flogen.

 

Tell national als Symbol unserer Heimatverbundenheit? Na ja. Aber die Bahnen, das Postauto, die «Blümlere» auf dem Thunersee, das passt. Und ds Migro. Wie bei jeder langen Beziehung hat uns nicht alles gefallen. Da hast du, liebe Migros, vor Jahren die demokratischen Strukturen ausgehebelt und den «Migros-Frühling» erfrieren lassen. Da hast du dich im Ausland engagiert, oje. Du bist immer grösser und fetter geworden. Und du hast manchen Konkurrenten Body Checks verpasst, die weh taten.

Was jetzt passiert, ist ein MMM-Ereignis.


Gut: Der dicke alte Mann wird fitter.
Schlecht: Die verstossenen Töchter lassen ahnen, dass die Familie Probleme hat