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Die Polizei hat kürzlich Daniela Klette verhaftet. Wie denken wir heute über die RAF-Verbrechen? Schlimm, aber auch ein bisschen Robin Hood. Früher wollten Terroristen die Welt verbessern. Heute wollen sie sie zerstören. Und glauben, das sei Gottes Wille.

 

 Die in Berlin verhaftete Terroristin Daniela Klette bringt die RAF-Aktivitäten aus den Siebzigern bis Neunzigern wieder in Erinnerung. In was für eine Erinnerung? Attentate, Morde, Überfälle. Und was noch? Robin-Hood-Gedanken tauchen auf. Wir Senioren und Seniorinnen haben die Taten damals verurteilt. Jetzt, nach einem halben Jahrhundert, bekommen die Verbrechen einen irritierenden Glanz. Das halbe Jahrhundert Distanz nimmt den Taten ihren Schrecken.

 

 Die Rote Armee Fraktion. Die RAF ermordete 33 Spitzenkräfte aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung. Sie entführte und tötete den Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer, sie ermordete unter anderem den Generalbundesanwalt Siegfried Buback und Jürgen Ponto, den Vorstandssprecher der Dresdner Bank. Schlimme Verbrechen also, die niemand entschuldigen kann. Trotzdem flimmert unsere Erinnerung an die Rote Armee Fraktion. Dies, weil die RAF so etwas wie einen Ehrenkodex hatte. Den müssen wir nicht teilen, aber zur Kenntnis nehmen: «Nur soviel Gewalt wie (vermeintlich) nötig. Unbeteiligte wenn möglich raushalten.» Mit vielen Wenn und Aber können wir dies «terroristischen Anstand» nennen. Er ist verschwunden.

 

Die Südtiroler. Die Terroristen wollten ihre Ziele erreichen. Mit Gewalt. Und sie wollten Anhänger gewinnen, die keine Terroristen waren. Zuviel Gewalt hätte diese Sympathisanten abgeschreckt. Das labile Verhältnis zwischen Gewalt und Reputation ist bei anderen Organisationen noch deutlicher auszumachen. Die ETA im Baskenkland, die IRA in Nordirland, die gesprengten Hochspannungsmasten im Südtirol: Die Verantwortlichen wussten genau, wie weit sie gehen konnten. Sie hatten Erfolg. All diese separatistischen Bewegungen erzielten Autonomiegesetze für ihre Gebiete.

 

Die Jurassier. Ein Beispiel, was dosierte Gewalt gegen Sachen bewirken kann, liefert der Kanton Jura. Zwischen den Sechziger- und Achtzigerjahren sorgte die separatistische Jugendorganisation Béliers mit ihren Aktionen für viel Aufsehen. Sie blockierte Tramschienen in Bern mit Teer, stahl den Unspunnenstein und stürzte Denkmäler vom Sockel. Damals beschimpfte man sie als schlimme Verbrecher. Heute urteilt man milder. Die Sturmböcke (Béliers) machten Druck. Zugegeben: Ebenso wichtig war die gutschweizerische Kompromissbereitschaft für die Gründung des jüngsten Schweizer Kantons. Vor einigen Monaten erhielt der Jura mit der Wahl von Bunderätin Baume-Schneider aus Les Breuleux nun sogar so was wie eine Schweizer Ehrenmedaille.

 

Terror? Aktivismus? Ein bisschen Spass war auch dabei. Die Separatisten blockieren 1972 mit Teer vor dem Berner Käfigturm die Tramschienen. Bild Wiki/unbekannt

 

 In den Neunzigerjahen krempelten die Terroristen ihre Welt um. Die Aum-Sekte tötete 1995 in der Tokioter Untergrundbahn 13 Menschen und verletzte 6000 Passagiere durch das Nervengas Sarin. Damit war ein Damm gebrochen. Gruppierungen ermordeten nun aus unerfindlichen oder unverständlichen Gründen wahllos Menschen, je mehr desto besser. Vorher waren Massenvernichtungswaffen tabu. Getrieben von vermeintlich göttlichen Geboten benützten die Terroristen diese Greuelwaffen jetzt um ihre Vorstellung von Weltherrschaft durchzusetzen.