Berner Zeitung, 11.03.2013


Beim Kerzerslauf ist jetzt der Grauhaarige dort vorne das Ziel

Der alte Läufer Typ A trägt ein ärmelloses Top und eine ganz ganz kurze Hose. Oben Falten, unten Falten, jene unter dem Po fallen besonders auf. Die körperlichen Verwerfungen zeigen, dass der Mann seine erotische Ausstrahlung bei weitem überschätzt. Der alte Läufer Typ B trägt Stil Zátopek, vielfach verwaschenes Baumwollleibchen und eine Trainerhose mit Rundumknautschzonen. Läuferlegende Emil Zátopek sammelte in den Fünfzigerjahren Goldmedaillen.


Sowohl Typ A wie B sind am nächsten Samstag anzutreffen. Auch ich renne dann am Kerzerslauf durchs unangenehm hügelige Seeland. Kollege Erwin (richtiger Name nur der Redaktion bekannt) werde ich wohl schnappen. Er ist nur wenig jünger und nicht austrainiert. Kollege Rolf hingegen krieg ich nicht. Der Altersunterschied ist zu gross.

 

Die 15 Kilometer sind Fünfviertelstunden der Wahrheit. Statistiker haben errechnet, dass die Muskelmasse von alternden Sportlern jedes Jahr um ein halbes Prozent abnimmt. Glücklicherweise verringert sich auch der Ehrgeiz. Ganz erlischt er nicht. Hat da jemand hinter meinem Rücken über Ähnlichkeiten mit Sex getuschelt? Um beim verfänglichen Thema zu bleiben: Früher lief ich dem entzückenden weiblichen Rücken hinterher. Nun ist der Grauhaarige dort vorne das Ziel. Der sportliche Abbau fühlt sich nicht so schlimm an, wie ich befürchtet hatte. Ich ahnte Schmerzen und Verletzungen. Jetzt bin ich bloss langsamer und schneller müde. Das ärgert. Eben: Auch alte Läufer sind ehrgeizig und übersehen gerne die Realität.

 

Alte Läufer mit Herzschrittmachern reden sich ein, dies sei ein Schrittmacher, ein Pacemaker. Womit Makabres angesagt ist. Der einzige mir bekannte lustige Läuferwitz geht so: Eine gewaltige Lawine begräbt das ganze Feld des Rennens. Alle sind tot. Die Witwe muss den verstorbenen Gatten identifizieren. «Nein», schluchzt sie, als der vorderste Sarg geöffnet wird. «Auch nicht», heult sie beim zweiten. «Ja, das ist er», sagt sie beim nächsten, «wenigstens war er Dritter.»

 

Lawinen sind in Kerzers nicht zu befürchten. Aber übel riechende Garderoben. Sie sind hier auch nicht schlimmer als anderswo. Vor dem Lauf riecht es nach Dul-X, nachher stinkt es nach Schweiss. Die Organisatoren des Wettkampfs am Samstag meinen es gut. Wer mit Halbtaxabo und ÖV anreist, bezahlt nur ein Viertel fürs Bahnbillett. Ich verzichte und benütze das Auto als Privatgarderobe. Das ist teurer. Aber Geld stinkt wenigstens nicht.peter.steiger@bernerzeitung.ch