Berner Zeitung, 24. August 2020


Berner applaudieren Ben Vatter und sich selbst


Soloprogramm in La Cappella Er bringt Lieder und Texte in die Cappella. Ben Vatters zweites Soloprogramm «Gäggele» ist hochvergnügliche Wertarbeit.

Zwei Nachrichten sind zu melden. Zwei gute. Die erste: Christoph Hoigné und sein Team haben während der Corona- und Sommerpause das Lokal umgestaltet. Sie haben die Wände gestrichen. Und weil die Pandemie dies erfordert, ersetzten sie die vorderen Sitzreihen durch Stühle und anderthalb Dutzend Tische und Tischchen. Nun hat die Cappella zwar weniger Einnahmen, aber eine hübsche Klubatmosphäre.

Die zweite Meldung: «Gäggele» ist rüdig gut. So beurteilte die Begleiterin des Journalisten das Programm von Ben Vatter. Sie ist Luzernerin. Sie hat recht. Und sie liegt trotzdem daneben. Denn rüdig ist der Innerschweizer Ultraausdruck für Positives. Und Berndeutsch-Psychopapst Vatter ist der Ultrapraktiker fürs Berndeutsche. Nicht rüdig, sondern unerchant guet also.

Der Bär und «äuä»


Ben Vatter feierte am Schluss auf der Bühne seinen 49. Geburtstag. Mit klimaschonendem Kleinfeuerwerk und Kerzentorte. Der Beinahe-Fünfziger freute sich über einen unbernisch kräftigen Beifall. Damit bejubelte das Publikum in der ausverkauften Cappella nicht nur den Künstler, sondern applaudierte auch sich selber.

Die Berner und Bernerinnen sind halt stolz auf ihren schweizweit beliebten Dialekt, der sich sowohl fürs bluemete Trögli wie auch für Rock und Pop eignet. Im Bernbiet pflegt ein auserwähltes Völklein eine ihm von einer wohlgesinnten höheren Macht zugesprochene Mund-Art. Ben Vatter zelebriert das Wörtlein «äuä». Bern hat zwei Symbole: der Bär im Wappen und «äuä» als Kürzestfassung der hiesigen Skepsis.

«Gvätterle» hiess Vatters erstes Programm. «Gäggele», seinen zweiten Streich, kündigt die Cappella stolz als Welturaufführung an. Ein bisschen hoch gegriffen ist das schon. Es ist eine kleine Welt. «Gäggele» in Reykjavík? In Buxtehude? Eher nicht. Aber «Gäggele» bei uns, das bringts. Für Nichtberner: «Gäggele» heisst basteln, spielen, endlos verbessern und ist verwandt mit «grümschele». Ein gut gewählter Name: Vatter ist ein sprachlicher Häftlimacher und leistet am Klavier feinmotorische Präzisionsarbeit.

Wir dropböxle


Das zeigt sich, wenn Vatter Matter singt, ein Medley mit vertauschten Liedtexten des längst Verstorbenen. Wie beim Vorgängerprogramm präsentiert er Lieder und liest aus seinen «Bund»- Kolumnen. Diesmal verzichtet Ben Vatter – Chorleiter, Musiklehrer, exzellenter Pianist und Berndeutsch-Experte – weitgehend auf Politisches. Das ist kein Verlust. Das Feld ist mit zeitkritischen Kabarettistinnen und Kabarettisten eh schon reich besetzt.

Vor drei Jahren hat Vatter erstmals «gvätterlet». Schon damals bewies er, wie schonungslos das Berndeutsche mit neu geschaffenen Wörtern umgeht. Jetzt zeigt er, dass wir seit damals beim «Compüterle» dazugelernt haben: Wir dropböxle.