seniorweb.ch, 15. Mai 2020


Seniorenrabatte sind beliebt und umstritten

Günstiger ins Kino, zum Coiffeur, ins Tram: „Das haben wir verdient“, loben die einen. „Vergünstigungen für Rentnerinnen und Rentner sind Giesskannenquatsch,“ kritisieren die anderen.

Seniorweb liefert eine unvollständige Übersicht über die Vergünstigungen und fasst die Pro- und Kontra-Argumente zusammen.

Kurios. Bis vor einigen Jahren bot das Kölner Bordell Pascha den Senioren bis 17 Uhr 50 Prozent Das Etablissement ist zurzeit coronabedingt geschlossen. Und: Die Ermässigung gilt nicht mehr.  Gärtnermeister Biesenbach in Dortmund berücksichtigte bis vor kurzem einen Altersbonus: 1 Prozent für jeder Jahr über 65. Herr Biesenbach hätte also bei den 165-Jährigen die Hecke gratis schneiden müssen. Das Geschäftsmodell scheint sich nicht bewährt zu haben. Jetzt gibt es in Dortmund nur noch einen nicht quantifizierten Altersrabatt. Ein Schweizer Versandhaus verkaufte früher Inkontinenz-Schutzhosen mit Seniorenrabatt. Auch dieses Angebot gilt nicht mehr. Kein Rabatt im Puff, weniger Vergünstigung im Garten, keine Erleichterung mehr für Inkontinente: Die Seniorenrabatte bröckeln. Aber es gibt sie noch. Nämlich:

Bekannt. Eine der beliebtesten Vergünstigungen betreffen die Schweizer Generalabonnemente. In der ersten und zweiten Klasse sparen Senioren je etwa 25 Prozent. Ein Teil der städtischen Verkehrsbetriebe und regionalen Verbunde ermässigen die Tarife ihrer Dauer-Abos, in Biel und Bern etwa. Keine Reduktionen gibt es zum Beispiel in Zürich, Luzern, Schaffhausen und Basel. In den Filialen der Migros-Genossenschaft Aare profitieren Seniorinnen und Senioren jeden zweiten Dienstag im Monat von 10 Prozent Rabatt. Wegen Corona ist diese Regel bis Ende Juli suspendiert.

Kulturell. Jetzt ist der Weg ins Museum wieder frei. Manche gewähren Rabatte, zum Beispiel in Bern das Kunstmuseum mit dem Klee-Zentrum (minus Fr. 3.00 bis Fr. 4.00). In Zürich reduzieren das Kunsthaus (- Fr. 7.00, nur Mittwoch), das Rietberg-Museum (- Fr. 4.00) und das Landesmuseum (- Fr. 2.00). In Martigny vergünstigt die Fondation Gianadda (- Fr. 2.00).  Grosse Häuser ohne Ermässigung sind unter anderem  in Basel das Tinguely-Museum sowie die Fondation Beyeler und in Luzern das Verkehrshaus. Wenn die Kinos wieder zugänglich sind bieten die meisten  Vergünstigungen. Die Kinokette Kita verbilligt zwischen Fr. 0.50 und Fr. 3.00.  Quinnie ermässigt um Fr. 3.00. Der Zürcher Arthouse-Verbund reduziert um Fr. 2.00.

Unübersichtlich. Wegen Corona müssen wir uns bei den Bergbahnen auf die Vorfreude beschränken. Einige bieten Boni. In Disentis zum Beispiel kostet die Tageskarte Fr. 12.00 weniger, in Andermatt minus Fr. 8.00. Keinen Rabatt gibt es für den Titlis, in Zermatt, Davos und bei den Jungfraubahnen. Nicht auszuschliessen ist, dass Corona die Tarife durcheinanderbringt. Ebenso uneinheitlich verbilligen die Coiffeure. Die grossen Ketten wie Orinad oder Gidor gewähren keine Rabatte. Die kleineren Salons sind grosszügiger. Gelegentlich koppeln sie die Reduktion an umsatzschwache Tage.

Was spricht für Rabatte? Viele Seniorinnen und Senioren müssen den Franken zweimal umdrehen. In der Schweiz bezieht jeder Zehnte Ergänzungsleistungen. Rund 17 Prozent gelten als arm. Gesamtschweizerisch liegt dieser Wert bei bloss 7 Prozent. Jeder fünfte Rentnerhaushalt hat weniger als 10’000 Franken Vermögen. Die Schweiz ist ein teures Land. Die Rabatte ermöglichen, dass auch Ältere am sozialen Leben teilhaben können.

Was spricht gegen Rabatte? Die Klagen  über unsere Altersvorsorge betreffen vor allem die Zukunft. Der Anteil der gutgestellten Seniorinnen und Senioren ist in den letzten Jahren gestiegen. Finanziell geht es in unserem Land der Gruppe der 55- bis 75-Jährigen am besten. Beinahe jeder vierte Rentnerhaushalt hat ein Vermögen von mehr als einer Million Franken. Die überlieferte Formel alt gleich arm stimmt nicht mehr. Rabatte für Ältere sind unnötig.

Was meinen die Institutionen? „Rabatte können sinnvoll sein“, sagt Pro-Senectute-Mediensprecher Peter Burri. Senioren seien zunehmend umworben und eine wachsende Konsumentengruppe. Deshalb könne es für ein Unternehmen wirtschaftlich spannend sein, Senioren über Vergünstigungen an sich zu binden. Und: „Rabatte entlasten  wenig privilegierte Senioren.“ André Bähler vom Schweizer Konsumentenschutz glaubt, dass die Altersarmut heute weniger verbreitet sei als früher. Die Privatwirtschaft müsse selber entscheiden, welche Rabatte sie wem gewähre. „Öffentliche Institutionen, Museen etwa, sollten generelle Rabatte für Senioren überdenken und stattdessen Ermässigungen für einkommensschwache Personen aller Alterskategorien prüfen.“

Das meint der Autor. Rabatte für Seniorinnen und Senioren werden seltener. Das ist gut so. Solch allgemeine Vergünstigungen sind Giesskannen-Quatsch. Den Rentnerinnen und Rentnern geht es im Schnitt finanziell besser als jeder anderen Altersgruppe. Wenn schon sollten für Reduktionen nicht das Alter, sondern die Bedürftigkeit entscheiden, dokumentiert durch die Steuererklärung etwa. Aber so was ist kompliziert. Senioren haben den Vorteil, dass sie gut erfassbar sind. Die ID schafft Klarheit. Aber Identifizierbarkeit genügt nicht. Sonst könne man ebensogut alle mit blauen Augen privilegieren.
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