Berner Zeitung, 19. März 2018

340 178 Buchstaben sind genug

Das ist meine letzte Kolumne. Seit Mai 2011 sind im Zweiwochenrhythmus 179 Texte erschienen. Damit bin ich wohl einer der fleissigsten Kolumnenschreiber dieser Zeitung. Ich habe die Artikel nochmals durchgeschaut. Und mich über manche gute gefreut und über manche schlechte geärgert. Kolumnisten wollen Reaktionen. Darum beenden sie ihre Texte mit einer Mailadresse. Und warten auf begeisterten Zuspruch. Zur Not tuts auch Kritik. Meist warten sie vergebens. Auch ich. Zum Glück nicht immer. Am meisten Reaktionen ernteten Alltagsthemen, eigentlich Banalitäten.

 

Zum Beispiel, ob man Migros-Tüten im grenznahen Ausland benützen darf. Oder über unverständliches Geschwurbel in Begleittexten zu Kunstausstellungen, hiesige Museen mitgemeint. Und: dass künstliche Intelligenz längst in unseren Alltag Einzug gehalten hat. Die Werbung verspricht intelligente Kosmetik, intelligente Waschmittel und, wirklich, intelligente Kleiderbügel.


Einen richtig giftigen Pfeil schoss ein einziger Leser ab, ein Berner Anwalt, schweizweit als überaus streitlustig bekannt. Sein Verriss gab mir mächtig Auftrieb. Hübsch, wenn auch bedeutend milder, waren die Zusendungen beim Reizthema Veganismus. Hier bewahrheitete sich eine alte Regel: Wer lobt, ist ein Experte, wer kritisiert ein Ignorant. Gewissenhafte Kolumnisten führen Buch über das, was sie geschrieben haben. Wohlan: Ich habe in meinen Texten am häufigsten, nämlich 57 817-mal, den Buchstaben «e» verwendet. Bloss selten, 680-mal, versuchte ich meine Mission per «q» auszudrücken. Qualitätszeitungen berichten ausgewogen: Bei der Häufigkeit in der Mitte lag das «i», 27 208-mal.


Der Grund für mein Ausscheiden: Diese Zeitung hat ihre Kolumnen überarbeitet und lässt nun zum Teil auch neue Autorinnen und Autoren zum Zug kommen. In meinem Fall fiel diese Zäsur mit einer Erkrankung zusammen: leichter Hirnschlag mit mehrwöchiger Rehabilitation. Die Erkenntnisse, die ich daraus gewonnen habe, wiegen das schlimme Erlebnis zwar nicht auf, relativieren es aber: Gelassenheit, Geduld und, ach ja: Es hätte noch weit fataler ausfallen können. Ich wünsche meinen Nachfolgerinnen und Nachfolgern viel Erfolg. Und viele Reaktionen.