Quartierzeitschrift "Arena", Dezember 2018, Kolumne "Die enge Halbinsel"


Vom Samichlaus, Knecht Dragan und dem Eselein Aisha

 

Die Kinder überassen sich an der Schoggi vom Samichlaus dermassen, dass die Lehrerin im Rossfeld-Schulhaus die Probe fürs Krippenspiel unterbrechen musste. In der Felsenau bewarfen sich freche Gofen mit Mandarinli. Und in der Rampe zur Tiefenau-Station stauten sich die Spanisch-Nüssli-Schalen so dicht, dass die Rollstuhlfahrerinnen und -fahrer vom Behindertenheim kaum mehr durchkamen. Eine bisher nie geahnte Sankt-Nikolaus-Schwemme überforderte die Engehalbinsel. Das kam so:

Als der Samichlaus nach der Worblaufen-Brücke den Stutz zum Kreisel hinauffuhr, war vorerst alles wie üblich: Der Stern von Bethlehem-Gäbelbach leuchtete. Es war der Widerschein der Kehrichtverbrennung im Bremgartenwald. Von der Brauerei Felsenau her duftete es nach Weihnachtsbier. Und bei den Wohnblöcken in der Tiefenau konkurrenzierten sich die portugiesisch-albanisch-kroatischen Lichtspektakel: blinkende Sterne, pulsierende Christbäume, hüpfende Engel.

Wer das Dreiergrüppli sah, wusste es: jetzt wiehnachtets. Hinter dem Samichlaus marschierte Knecht Ruprecht. Er hiess Dragan. Heimisches Hilfspersonal war ja seit längerer Zeit nicht mehr zu bekommen. Vorne trottete das Eselein. Es hiess Aisha. Heimische Tiere waren für den Arbeitseinsatz ja seit geraumer Zeit nicht mehr verfügbar.

Sami in rot, Dragan in braun und Aisha hochbeladen in grau kamen zügig voran. Stutzig wurde der Samichlaus, als er auf der Tiefenaustrasse bei der Abzweigung hinunter zur Felsenau ein rundes Verbotsschild bemerkte, „E-Verbot“ stand drauf. „Nanu“, dachte er, „wie kommt das rot-grüne Bern zu sowas. Die Elektro-Mobilität und jetzt gar das Formel-E-Autorennen sind ja den Stadtmüttern und -vätern eine Herzensangelegenheit.“

Erst als der Samichlaus näher herantrat und den Hinweistext bemerkte, löste sich das Rätsel: Das E-Verbot war ein Esel-Verbot. „Die Methangas-Ausscheidungen von Eseln belasten die Umwelt derart, dass die Zufahrt nach Bern während der eselintensiven Adventszeit verboten ist“, las er.

Sami, Dragan und Aisha mussten umkehren. Nun wissen wir ja, dass  der Samichlaus im Waldhüttli am Bantiger keine Ruhe findet, wenn er zuvor nicht alles verteilt hat. Und so kam es zu dieser Gschänkli-Flut auf der Engehalbinsel: Schoggi-Bauchweh im Rossfeld, Mandarinli-Schlacht in der Felsenau, Spanisch-Nüssli-Stau in der RBS-Station.


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