Berner Zeitung, 10.8.2011

 

Aus Steiger
Die Leute von der AHV machen einen schlechten Job

 

Ich habe einen Karrierezuschlag von 1,00. Soll ich mich freuen oder ärgern? Ausserdem profitiere ich von einem Aufwertungsfaktor von 1,319. War ich ein Überflieger oder eine Niete? Gemixt mit einem Wust weiterer Zahlen, ergibt das einen Plaf von 1795 und einen Modu von 2134. Meine Ehefrau war offenbar etwas weniger fleissig. Sie hat bloss einen Plaf von 1685. Zusammen haben wir einen PlafG von 3480.


Für Kundige lichtet sich damit der Nebel ein bisschen. Sie wissen, dass wir zwei die maximale AHV-Rente für Ehepaare beziehen, 3480 Franken. Aufwertungsfaktor, Plaf, PlafG und Modu sind Begriffe aus dem Rentenbescheid. Wer AHV bekommt, erhält vorher Berechnungsblätter. Es sind ein halbes Dutzend eng mit Zahlen und Abkürzungen beschriebener Seiten ohne Erläuterungen. Die Aufstellung ist völlig unverständlich. Das heisst: Wer sich die Mühe nimmt, zu recherchieren, und das Talent hat, mathematische Modelle zu begreifen, könnte nach Stunden schlau werden. Aber wer will das schon? Und wer kann das schon? Eben.


Klar, die Berechnungen sind tatsächlich überaus kompliziert. Studienunterbrüche, Auslandaufenthalte, Erziehungsgutschriften, Scheidungen, weiss der Kuckuck, da stöhnt sogar der Computer. Diese Datenflut soll denn auch beim Kunden, beim Rentner, ankommen. Schliesslich gibt es sie, die Zahlenbegeisterten, die fähig sind, zwischen «Doppeltem Mindestbeitrag Ehegatte» und «Jugendjahre ausl. Vers.-Zeiten» zu unterscheiden.

 

Alle anderen, 99 Prozent also, brauchen zwingend einen in verständlicher Sprache gehaltenen Zusammenzug, einen lesbaren Rentenbescheid auf einer halben Seite. Zu kompliziert? Nein. Lehrer, Journalisten, ja sogar Politiker müssen lernen, auch das Vertrackteste so zu formulieren, dass ein 12-jähriger Sekundarschüler den Inhalt begreift. Oft ist das anstrengende Büez. Meist ist das Vereinfachen viel schwieriger als Kompliziertes kompliziert darstellen.

 

Bei der Pensionskasse geht es. Bei den Steuern geht es. Bloss die AHV hat diesen Job nicht gemacht. Da zahlt der Kunde jahrzehntelang ein Vermögen ein. Und diese Leute bringen es nicht fertig, verständlich zu erklären, wie sie Renten berechnen.
Die AHV hat mir mitgeteilt, dass ich keinen DMB habe. Herrscht Freude? Herrscht Kummer? Es herrscht Ärger.