Berner Zeitung, 27. Dezember 2017

So treu wie ewigi Liebi: Der gute Vorsatz


Der Mensch will rauchen, bis die Lunge eine Asphaltmine ist, will saufen, bis die Leber um Hilfe ruft, will fressen, bis das Bett zusammenbricht. Deshalb gibt es Gesetze. Oder gute Vorsätze. Am Silvester ist es wieder so weit. Sie einzuhalten, ist einfach.


Trockener. Vor einem Jahr habe ich dem Alkohol abgeschworen. Kein Wein, kein Bier, kein Schnaps mehr. Carmol-Tröpfli habe ich aus dem Apothekenschrank verbannt, das Fondue-Rechaud von Sprit auf Holzschnitzel umgestellt. Wer braucht schon Grand Cru, wenn er stattdessen Brotdrunk, Weisskohlsaft und rechtsdrehendes Wasser trinken kann. Und statt Klosterfrau-Melissengeist hilft Eigenurin ebenso zuverlässig.


Sauberer. Am gleichen Silvester habe ich mich vom Abfallsünder zum Entsorgungsheiligen gewandelt. Wie habe ich doch vorher diesen Planeten geschändet. Kaugummipapierchen auf den Boden geworfen, Orangenschalen statt auf den Kompost in den Ghüdersack geworfen. Und ja, ich gestehe: Ich habe Plastiksäcke bloss einmal gebraucht. Jetzt löse ich Bostitch-Klammern vom Papier (Metallsammlung). Jetzt bringe ich leblose Fliegen zur Tierkadaversammelstelle. Jetzt kenne ich bei Migros-Coop den Unterschied zwischen PET- und Plastikflaschen und werfe das Zeug nicht mehr nach dem gefühlten Unterschied in die beiden Löcher.


Netter. Und ja, ihr lieben Leute, seit einem Jahr bin ich der fleischgewordene reissfeste Geduldsfaden. Früher habe ich mich über Terrorkinder geärgert. Jetzt lächle ich milde, wenn sie mich mit Schneebällen bewerfen. Früher habe ich die Nachtgröler verflucht, die mich nicht schlafen liessen. Jetzt sehe ich sie, gleich wie das offizielle Bern, als Bereicherung des Kulturlebens. Früher haben mich Parkbussen genervt. Jetzt betrachte ich sie als Erziehungsmassnahmen, die mich auf den rechten Weg bringen, den Veloweg.


Glücklicher. So einfach ist das mit den guten Vorsätzen: Charakterstark durchziehen, konsequent festhalten, unbeirrt dranbleiben. Ich habe alle umgesetzt und bin zum Glück bloss bei einem einzigen gescheitert: nicht mehr zu lügen.