Berner Zeitung, 11. Dezember 2017

Die Wohnung war der Lockvogel


Sie versprechen Wohnungen, verlangen Kautionen und verschwinden. Ein raffinierter Übeltäter gaunerte im Berner Rossfeld.

Betrüger offerieren mit fingierten Inseraten günstige Wohnungen, kassieren Vorauszahlungen und verschwinden dann in den Weiten des Internets. Das ist nicht neu. Doch nun haben die Abzocker dazugelernt. «Die Betrüger arbeiten immer professioneller», erklärt Cornelia Magnin, Mediensprecherin von Immoscout 24. Statt holpriger Texte würden sie fast fehlerfrei Deutsch schreiben, glaubwürdige Details verwenden und die Objekte nicht jenseits der Marktpreise anbieten. Überdies gelinge es ihnen mit verdeckten Computeradressen, ihre Identität zu verschleiern. Ein solch raffinierter Schwindler nahm das Haus des Schreibenden ins Visier.


Wir staunten nicht schlecht, als wir auf Immoscout 24 ein Angebot mit unserer Adresse entdeckten. Das Inserat war geschickt aufgebaut, die Miete zwar günstig, aber nicht unglaubwürdig tief: 3,5 Zimmer für 1400 Franken einschliesslich Nebenkosten. Bloss: In unserem Sechsfamilienhaus mit Stockwerkeigentümern im Rossfeldquartier ist nichts zu vermieten.


800 Franken verloren


Am ehesten passt der Beschrieb auf unsere Wohnung. Einiges stimmt, anderes nicht, die Bilder etwa. Neugierig geworden, mailen wir. Ein Ivan Calle antwortet per Mail in verständlichem Deutsch. Er lebe in Spanien, habe das Apartment bisher über Airbnb angeboten und suche nun einen Dauermieter. Um das Logis zu besichtigen, könnten wir es über Airbnb zwei Tage lang buchen. Vorher müssten wir allerdings 800 Franken überweisen. Sollte uns die Wohnung nicht gefallen, würde er das Geld retournieren. Und: «Du wirst für diese zwei Tage nicht bezahlen.»


Wir beenden den Versuch. Für andere hingegen war es nicht bloss ein Experiment. In den nächsten Tagen bemerken wir Interessierte, die unser Haus fotografieren. Zwei Männer melden sich und wollen die Wohnung besichtigen. Eine Englisch sprechende Studentin läutet. Und weint beinahe, als sie die Wahrheit erfährt. «Ich habe 800 Franken überwiesen, die ich wohl nie mehr sehen werde.» Die junge Frau meldet sich bei der Polizei. Wir ebenfalls. Ausserdem dokumentieren wir unseren Fall per Onlineformular beim Bundesamt für Polizei Fedpol.


Früheres Inserat als Einstieg


Ivan Calle, oder wer auch immer, muss wohl keine Scherereien mit der Justiz befürchten. Immerhin lässt sich seine Spur ein Stück weit verfolgen. In unserem Haus wurde im Herbst über Immoscout 24 eine Wohnung verkauft. Gemäss Recherchen des Portals erschlich sich der Betrüger mittels Phishing die Passwörter der Inserateverwaltung, vermischte die Verkaufsbeschreibung mit Erfundenem und gab sich gegenüber dem Portal als Treuhänder aus. Cornelia Magnin: «Sehr oft ist Phishing das Eintrittstor für solche Betrügereien.» Einmal mehr: Wer leichtgläubig auf gefälschte Mails oder SMS Zugangsdaten herausgibt, handelt gefährlich.

 

 


«Die Betrüger schreiben fast fehlerfrei und verwenden glaubwürdige Details.»


2016 hat das Bundesamt aus der ganzen Schweiz 238 Hinweise zu solchen Inseraten erhalten. Daten zum Kanton Bern fehlen. Fedpol-Sprecherin Cathy Maret erklärt, dass die Zahlen in den letzten Jahren stabil geblieben sind, und vermutet, dass die Dunkelziffer gross ist. Die Portale versuchen die Abzocker zu stoppen. Sie überprüfen verdächtige Angebote, reagieren auf die Hinweise der Nutzer, blockieren mit Filtern zweifelhafte Texte und informieren auf ihren Websites, wie man sich schützen kann.


Die Tipps zusammengefasst: Auffällige Inserate den Portalen oder der Polizei melden. Niemals Geld im Voraus überweisen oder für eine Wohnung bezahlen, die man nicht besichtigt hat. Und schliesslich: Wenn etwas zu schön tönt, um wahr zu sein, ist es tatsächlich oft unwahr: nämlich Betrug.