Berner Zeitung, 24.2.2014


Die Faust aufs Auge und andere Seniorenangebote



Es gibt viel Nützliches für Ältere: den Fernsehsessel, die Wärmeflasche, die AHV. Doch gibt es auch Produkte, die wir so dringend brauchen wie eine Faust aufs Auge. Fünf Beispiele für unnötige Seniorenangebote.


Das Plauderabo. Für 79 Franken im Monat telefoniert jemand zweimal 30 Minuten mit mir. Diese Zeitung hat den neuen Service kürzlich vorgestellt. Er ist vor allem für Ältere bestimmt. Söhne oder Töchter können das Abo dem vereinsamten Vater, der alleingelassenen Mutter schenken. Also hallo: Wenn Sprösslinge vorgeben, keine Zeit zu haben, um alle zwei Wochen die Eltern anzurufen, sollen sie lieber zu ihrer Herzlosigkeit stehen.


Der Rentnerausweis. Europäischer Pensionistenausweis heisst das Ding. Wir merken zweierlei: Es stammt aus Österreich. Dort sind Rentner Pensionisten. Und: Es ist Abzocke. 29 Euro kostet die Karte im Jahr. Sie ermögliche in ganz Europa Rabatte, sagen die Anbieter, unter anderem bei Bahnen und Anlässen. Quatsch. Alle Vorteile erhalten Senioren auch so. Manchmal muss man die ID zeigen. Machen wir ja gerne. Weil man uns offenbar jünger einschätzt.


Die überteuerten Seniorenresidenzen. In der Region Bern kostet eine Zweizimmeralterswohnung 3500 Franken. Das ist der Schnitt aus den Preisen im Tertianum Chly Wabere, Mitteldorfpark Ostermundigen, Multengut Muri und Bärenmattepark Münsingen. Ohne Essen. Ohne Reinigung. Das können oder wollen sich nur wenige leisten. Drum stehen Wohnungen leer. Die Investoren haben sich verschätzt. Gut so. Schlaue Senioren wissen, dass das angestammte Logis plus Haushilfe billiger und angenehmer ist als unnützer Luxus im Ghetto.


Das nächste Buch von Virginia Ironside. 2007 erschien ihr erster Bestseller: «Nein! Ich will keinen Seniorenteller!» Das war lustig. 2011 kam «Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff!». Das war nicht mehr so lustig. 2012 schliesslich stand «Nein! Ich möchte keine Kaffeefahrt!» in den Läden. Das war nun überhaupt nicht mehr lustig. Ziemlich Copy Paste. Hänu. Solange Virginia Ironside Leser findet, soll sie halt weiter über ihre Gefühle beim Altwerden schreiben und sich gegen dies und das wehren. Unser Tipp für die vierte Fortsetzung: «Nein! Ich will keine Inkontinenzschutzhose!»

 

Die Seniorenrabatte. Abschaffen. Alle. Den meisten Ü-65 geht es materiell gut. Besser jedenfalls als den Detailhandelsangestellten, Coiffeusen und Reinigungskräften. Anders als wir Senioren können sie nicht 2 Franken billiger ins Kino. Ach ja, den Zweifränkler nehme ich trotzdem gerne mit. Ich bin doch nicht blöd. Jeder metzlert, wo er kann.