seniorweb.ch, 17. September 2021

 

Den Teig ziehen lassen. Bloss wohin?

 

Das Wichtigste zuerst: Meine Ehepartnerin kocht so gut, dass ich mir in der Küche nur die nachgelagerten Arbeiten zutraue: Geschirrspüler ein- und ausräumen. Doch irgendwann musste die beste aller Köchinnen abends fort.

 

Und so wagte ich mich selbst an die Töpfe. Ein Chaufroix de coque  sollte es sein – man will ja bescheiden beginnen. Unverzichtbar, so las ich im Rezept, sei ein dressiertes Huhn. Nun bin ich mit einem Stiefsohn gesegnet, der Hühner hält. Als ich ihn bat, mir zwecks Dressur eines seiner Tiere zu überlassen, reagierte er uneinsichtig. „Bist du sicher, dass du dieses Huhn auch essen willst, nachdem du ihm mühsam Tango-Schritte beigebracht hast?“

 

Köchinnen und Köche und ich wissen es: Der Ruf des Küchenzauberers steht und fällt mit der Sauce. Wichtig ist, dass man sie rechtzeitig ablöscht. Ich stellte deshalb alles bereit, Feuerlöscher, Wassereimer, Brandsalbe. Doch die Sauce weigerte sich, zu entflammen. Weder Zündhölzer noch der Gasanzünder brachten Erfolge, desgleichen Petrol und Sprit.  Erst ein Schuss Benzin schuf die Voraussetzungen, um die Sauce abzulöschen. Bedauerlich waren die Folgen.

 

Behinderte auszulachen, das gehört sich nicht. Doch sicherlich wollte mein Kochbuch nicht Sehbehinderte blossstellen. Sondern im Gegenteil ihre Integration fördern, neudeutsch Inklusion ermöglichen. „Den Teig blind backen“, stand in meiner Küchenfibel. Ich verstand dies als gutgemeinten Rat, um den Alltag der Sehbehinderten erlebbar zu machen. Ich verschaffte mir eine blickdichte Augenbinde. Lag es am Teig, lag es am Ofen, lag es gar an mir? Ich scheiterte.

 

Echt Mühe hatte ich, als im Rezept stand, dass ich den Braten spicken sollte. 

Wohin? An die Wand? Nach draussen? Oder mit Büne Huber und Patent Ochsner (spick mi) furt vo hie? Sollte gar ein erfahrener Hornusser den Braten übers Ries spicken? Auch die Erinnerung an meine schulischen Prüfungsoptimierungen mittels Spickzettel brachten mich nicht weiter.

 

Ebenfalls nur widerwillig nahm ich zur Kenntnis, dass ich das schöne Filetstück ziehen lassen müsse. Geits no? Da hat man sich Mühe gegeben, schweineteures Fleisch gekauft, mit viel Liebe zubereitet, gewürzt. Und nun soll ich es ziehen lassen. Wohin soll es denn ziehen? Auf den Tisch, in die Ferne? Ohne GA, ohne Maske?

 

Die Misserfolge machten mich vorsichtig. Beginn mit dem Einfachsten, sagte ich mir schliesslich. Eier kochen, das kann jeder. Ei ins Wasser, dieses zum Kochen bringen, fertig. Doch dann, was stand in der Anleitung?

 

Abschrecken. Ich zeigte dem Ei meine Krankenkassen-Prämien, ich erzählte ihm vom Korruptionsskandal beim Lötschberg-Tunnel, ich wies auf die Jahresrechnung der Stadt Bern. Nix, nada, das Ei liess sich nicht abschrecken.

 

Kein Essen ohne Dessert. Und kaum ein gelungener Nachtisch ohne Rahm. Und wiederum kaum ein Rezept ohne den Hinweis, dass man diesen, den Rahm, schlagen müsse. Den unmissverständlichen Aufruf zur Gewalt (gegen Sachen, aber immerhin) wollte ich keinesfalls befolgen. Gewalt darf in unserem Verhalten keinen Platz haben. Nein, ich schlage den Rahm nicht.

 

Und überhaupt: Ich ziehe mich wieder auf meine Kernkompetenzen zurück: Geschirrspüler ein- und ausräumen.

 


 

Post Scriptum I: Der Autor betont, dass er den Doppelsinn der hier verwendeten Ausdrücke kennt. Zum Dressieren eines Huhns zum Beispiel braucht es entweder einen Zirkusartisten oder Küchengarn um den gebratenen Güggel in Form zu bringen.
PS II: Eben erreicht den Verfasser die Zuschrift von Herrn A.W. (Name geändert). Der passionierte Angler schreibt, dass er beim Zubereiten seines Fangs schöne Erfolge mit einem guten Anti-Schuppen-Shampoo gehabt habe.