Uraufgeführt Sommer 2004, Hof-Theater Erlach, Regie Wolfgang Grabow

 

WIE JOGGELI EINE FRAU SUCHT

 

Nach Jeremias Gotthelf von Peter Steiger

 

 

Zeit und Ort

Um 1850 in einer ländlichen Berner Gegend

Gasthaus zum Mühlirad

Bei Rösi in der Blappermatte

Bei Marei in der Schwafelschwand

Bei Annekäthi in Bhüetiswil

Vor einem Traualtar

 

Einzelrollen

 

Joggeli

35 bis 50 Jahre.

Ein etwas verzworgelter, spitzfindiger Mann. Rechthaberisch und rechtschaffen. Auf Brautschau geht er nicht aus Leidenschaft, sondern weil es sich gehört – und er nicht mehr alleine sein will. Zielstrebig und nur schwer zu verunsichern.

 

Rösi

Rösi und Marei, beide 35 bis 50 Jahre, sind komödiantische Figuren. Komisch sind sie, weil sie in der Öffentlichkeit anders sein möchten, als sie tatsächlich sind.

Rösi will eine vornehme Dame sein. Deshalb gibt sie sich etepetete und geziert. Doch wenn niemand hinsieht, greift sie ungeniert zu – zum Beispiel nach den Männern. Sie ist eitel, hochnäsig, eingebildet. Langsam bis träge. Sie ist Weib und Weibchen, kokett. Keine Analytikerin, aber sie manipuliert gerne.

 

Marei

Sie glaubt, dass sie dank ihrer Geschäftstüchtigkeit alles in der Hand hat. Aber eigentlich ist sie eine Frau, die sich selbst auf den Füssen herumsteht.

Sie ist schnell, laut, schrill. Sie will überzeugen, ist rechthaberisch, uneinsichtig.

 

Annekäthi

30 bis 40 Jahre.

Sie ist ein Gutmensch mit einem Hauch Penetranz. Geduldig, sittsam, ruhig, bescheiden, bedächtig, aber nicht phlegmatisch. Damit man diesen 1A-Charakter aushält, darf sie ein bisschen stolz und überheblich sein. Dass sie am Schluss zum keifenden Drachen wird, ist vorher nur in homöopathischer Dosis erkennbar.

 

Miggu

Kesselflicker, ab 30 Jahre.

Er entwickelt sich vom Spassmacher zum lebenserfahrenen Ratgeber. Schlau, witzig, temperamentvoll, widersprüchlich. Sympathisch. Gibt sich harmlos, ist aber berechnend.

 

 

Mehrfachrollen

 

Im Gasthaus zum Mühlirad

Wirtin

Drei Jasser: Baschi, der Vernünftige

Christen, der Giggerige

Fridu, der Betrunkene

Magd im Wirtshaus, ein- bis keinsilbig

Händler, zwar geschäftstüchtig, doch Marei ist er nicht gewachsen

 

Bei Rösi

Magd Bäbe

Magd Lisette

Magd Elsi

Meisterknecht Sämu, Frauenheld wider Willen

 

Bei Marei

Knechte und Mägde

 

Bei Annekäthi

Knecht Steffen, aufbrausend

Knecht Balz, wortkarg

Magd Sophie, vorwitzig

Magd Trine, vorwurfsvoll

 

Tänzerinnen, Tänzer, Wirtshausbesucher, Hochzeitsgäste

 

 

ERSTER AKT

 

Szene 1

 

Im Gasthaus zum Mühlirad ist Tanz. Hoch geht’s zu an diesem Chilbitanz am Sonntagnachmittag. Die Paare wirbeln durchs ganze Haus, gekonnt die einen, ungelenk die anderen. Zwischendurch sieht und hört man, wie so mancher Geissbock hier seine Hörner abstösst. Tanz ist, und man ahnt, dass in Dreivierteljahren die Hebamme zwar zu tun, aber nicht recht Freude an ihrer Arbeit haben wird.

 

Szene 2

 

Gasthaus.

Immer noch Tanz. Ausserdem sind vier Männer beim Jassen.

 

BASCHI: Du bisch dranne, Joggeli … He Joggu, was schtiersch Löcher i d’Luft?

 

JOGGELI: Hä Baschi? … Ja, i gibe.

 

CHRISTEN: Häsch Meitschibei gseh? Meitschibei gseh, wott-i no meh, gäll, Joggeli.

 

JOGGELI: Hör-uf mit dim Glafer.

 

FRIDU (angetrunken): Chauf der doch … bisch doch dr richscht Puur wit-ume … Chauf der doch …Frau Wirtin … no-n-es … no-n-es Halbeli.

 

CHRISTEN: U gäng no älleini. Schtatt gäng alleini z’höckele, sött jede Ma mal böckele. Hä Joggeli, gäll Joggeli! Lue det, Brupbachers Vroni. Hätt Holz vor-em Huus, gäll Joggu.

 

BASCHI: La-ne doch Chrischte. Du bisch dranne.

 

FRIDU: Chauf der doch so-n-es Babeli mit dine viele Batze, so-n-es Batze-Bäbeli. So-n-es Bätzi-Babe-Bäbi. Mal hine, mal vüre, mal …

 

BASCHI: Fridu, hör uf!

 

WIRTIN: So, die Herre, äs Halbeli. Ir Wirtschaft zum Trüllirad söll niemert Durscht ha.

 

FRIDU: Zum Bäbele, weisch Joggeli. Mal vüre, mal hingere, das wärs doch!

 

BASCHI: Fertig! Schluss jetzt! Aber im Ernscht, Joggeli, jetz bisch sit sächs Jahr Wittlig. Muesch ja nümm über d‘Hüehnerleitere go chilte. Lue doch, hie häts meh als eis Frauezimmer, wo sichs lohnt, dass mer ds Jasse laht la si.

 

CHRISTEN: Schtecksch diner Schufle gschider nöimed angersch iche, gäll Joggeli, hä Joggeli!

 

BASCHI: Lass das!

 

JOGGELI: S’isch halt bim Wibe wie bim Fische. Weisch nie, was useziesch. Ä prächtige Hecht oder äs graageligs Ellritzli.

 

CHRISTEN: Muesch‘s halt vorher usprobiere (obszöne Bewegung). Mal iche, mal use …

 

JOGGELI: … Chabis. Mit dinere Stine häsch ömu au kei Glück im Schtall.

 

CHRISTEN: He, he, Joggeli, pass uf was d‘seisch.

 

FRIDU: Letzt Wuche hät si di usegsch … usebsch … bschlosse, wo z’schpat hei cho bisch, usebschlosse, dini Stine.

 

CHRISTEN: Bisch ä Lugihung, äm Tüfu vom Chare gheit bisch. Wart i will dr (Gerangel) Schnapsbrueder … wart i gib dr, du Sufludi … du … du

 

BASCHI: Schluss jetzt. Schluss!

 

JOGGELI: Gsehsch, gsehsch! Entweder häsch Chritz wäg dä Frauezimmer oder mit dä Frauezimmer.

 

BASCHI: S’git au angeri, Joggeli. Dänk ä Iseschmids Theres, gschaffig, hübsch u wäger nid uf ä Chopf gheit.

 

JOGGELI: Gsehschs-ne nid a, dene Fraue, gschehsch-ne nid a!

 

CHRISTEN: Muesch halt probiere, Joggeli. Muesch probiere, muesch karessiere schtatt gäng schtudiere. Wänn d’ä Chue chaufsch, griffsch au a ds Üter.

 

JOGGELI: Dumms Züg. Bi dene, wo d’chasch töple, verbrönsch-dr d’Finger.

 

FRIDU: Bisch heiss, gäll Joggeli.

 

CHRISTEN: Heiss u heimlifeiss.

 

JOGGELI: Dumme Laferi!

 

BASCHI: Schtimmt. Si dummi Laferi. Aber rächt hei-si glich. So älleini dür ds Läbe tschalpe macht grantig. S’bruucht zwöi Schtrümpf u zwöi Schue. U s’bruucht drum zwöi Mönsche dermit‘s öppis gattligs git.

 

JOGGELI: Zwöi, zwöi, zwöi! Zwöi Site händ d’Mönsche u bsunderbar d’Fraue. Vor der Hochzit gsieht me die eint, u chuum hät dä Pfarrer Amen gseit, zeige sie di anger.

 

BASCHI: Muesch halt süferlig uswähle.

 

JOGGELI: Chasch doch nid i d’Mönsche icheluege. I bi wäger gnue lang Wittlig gsi, u dänke zwüschdure scho a ds Hürate. Aber bsinn di doch a d’Frou vom Notar vo Schtürler, wo letzt Wuche hie im Gaschthus z’Visite gsi isch: Vordüre äs gschminkts Lärveli u hine düre hät si gschtunke wie-n-es Bschüttiloch. Vor dä Hochzyt si d’Fraue Ängle u nachhär Tüfle.