.seniorweb.ch, 27. Mai 2025
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Schwyzertütsch ist nicht mehr up to date
An diesem schönen Frühlingstag will ich meine Work-Life-Balance verbessern. Ich spaziere der Aare entlang durchs Marzilibad. Das Wasser ist noch kalt, aber die Leute chillen auf der Wiese. Später bestelle ich in der Pop-up-Bar bei der Dalmazibrücke Brücke eine Schale. „Hä?“, fragt der Barista. Wir einigen uns auf Flate White.
Ebenfalls „hä?“ denke ich dann beim Kaffee. Nämlich „hä, was soll das?“ Auf dem Heimweg sehe ich in den Schaufenstern, dass der Summer Sale begonnen hat. Am Bahnhof muss ich mich nicht ums Ticket kümmern. Ich habe ja die Fairtiq-App. Im Zügli frage ich mich dann doch, ob unser gutes altes Deutsch bedroht ist. Es muss ja nicht gleich das Schaggi-Streuli-Züritütsch aus den Fünfzigern sein. Aber wie wärs mit ein bisschen mehr Chuchichäschtli?
Szenenwechsel. Ich studiere die Angebote auf einem Schweizer Job-Portal. Gesucht wird ein Brand Manager. Als Ahnungsloser tippe ich auf einen Einsatzleiter der Feuerwehr. Falsch. Und auch der Plant Manager ist kein Obergärtner. In der Marketing-Sprache sind solch schicke Berufe weit verbreitet. Später erfahre ich, dass sich für den Plant Manager tatsächlich ein Gärtner gemeldet hat. Erfolglos, das Unternehmen suchte einen Betriebsleiter.
Steht unsere Sprachwelt Kopf? Ist unsere Identität bedroht, wenn wir auf der Marzili-Wiese und auf dem Sechseläutenplatz nicht mehr plegere sondern chillen? Ach was. Sprache soll nicht klinisch rein sein, sie verträgt auch Ghüder. Die digitale Gesellschaft pflanzt neue Wörter in unsere Sprache, englische Wörter. Wollen wir weiterhin mitreden, müssen wir in unserer globalisierten Welt so sprechen, dass uns alle verstehen: Englisch oder mit dem, was wir für Englisch halten, neugebackenen Anglizismen, die im englischen Sprachraum ganz was anderes bedeuten als bei uns. Vereint im Irrtum? Hauptsache, wir missverstehen alle das Gleiche.
Aus den Abgründen des Irrtums ragt das Handy ganz besonders heraus. Das Handy war schon vor dem Handy da. Als Abwaschmittel der Migros. Dann kam das Handy als Mobiltelefon, ungefähr gleichzeitig mit dem Public Viewing. Beide Ausdrücke gibt es in der Originalsprache nicht, oder sie bedeuten etwas ganz anderes. Der Handyman steht nicht im Swisscom-Laden, sondern ist ein Handwerker. Unter Public Viewing versteht man in den USA die öffentliche Aufbahrung eines Verstorbenen.
Endmark ist eine deutsche Naming- und Brandagentur. Trotz dieser angesagten Anglizismen kümmert sich Endmark auch um die deutsche Sprache. Sie hat herausgefunden, dass etwa 25 der 100 am häufigsten in der Werbung verwendeten Wörter englische Vokabeln sind. Ein weiteres Ergebnis sollte den Werbern und ihren Auftraggebern eigentlich zu denken geben: 72 bis 75 Prozent der Konsumenten verstehen englische Werbung nicht im Sinne ihrer Absender.
Die hohe Englisch- und Nixverstan-Quote hat verschiedene Gründe. In vielen international tätigen Agenturen ist englisch die Umgangssprache. Peinlicher ist ein weiterer banaler Grund – Englisch als Notnagel. Den schlägt man ein, wenn kein guter deutscher Slogan gelingt. Das Motto: „Wenn du nicht weisst, was du sagen sollst, dann sag es auf Englisch.“
Nochmals: Steht unsere Sprachwelt Kopf? Ist unsere Identität bedroht, wenn wir auf der Marzili-Wiese und auf dem Sechseläutenplatz nicht mehr plegere sondern chillen? Nein. Sprache darf und soll sich verändern, man darf sie verunreinigen, durch den Dreck ziehen, plagen. Sie ist zum Brauchen da.
Oder doch nicht? Unsere Kommentarspalte ist robust und schluckt gerne alle Meinungen.
Hier lesson two. Bitte nicht spicken. Wir lernen fürs Leben, nicht für Seniorweb.
What is wrong with these expressions?
Richtig. Sie sind im
Deutschen gebräuchlich, bedeuten englisch aber etwas anderes oder gar nichts.