Berner Zeitung, 14.1.2013

Seniorinnen sollen Putzfrau, Kita und Heimplatz ersetzen


Seit kurzem bietet die deutsche Agentur «Aupair 50plus» auch in der Schweiz ihre Dienste an. Die Idee: Statt junge Frauen reisen lebenserfahrene ältere Damen aus dem Ausland als Au-Pairs zu Gastfamilien in unser Land.

 

Hier sollen sie im Haushalt helfen oder die Kinder betreuen. Ältere seien verantwortungsbewusster, besonnener und verständnisvoller als Junge, heisst es auf der Website Aupair-nani.ch. Umgekehrt könnten sich reifere Frauen und Seniorinnen Lebensträume verwirklichen: reisen und fremde Kulturen kennen lernen.

 

Auf den ersten Blick gefällt das Konzept. Doch beim genaueren Hinschauen entdeckt man Gefahren. Ich habe die Angebote der Schweizer Gastfamilien untersucht. Ein halbes Dutzend sind es zurzeit. Bei fast allen stutzt man. Da sucht eine Familie jemanden, der «Wäscheberge nicht scheut». In einem zweiten Haushalt lobt man das «geheizte Kellerzimmer, in dem auch das Schlagzeug steht».

 

Anderswo wollen zwei Mädchen im Alter von 14 und 15 Jahren warme Mahlzeiten und einen Taxidienst für Sport und Ausgang.
Ganz konkret wird ein weiteres Elternpaar. Beide sind voll berufstätig, haben zwei kleine Kinder und halten Ausschau nach einer Frau, die «staubsaugt, den Boden wischt und Frühstück und Mittagessen kocht». Und schliesslich möchte ein Sohn eine Person finden, die seine allein lebende 88-jährige Mutter rund um die Uhr betreut. Die alte Dame hat Alzheimer.

 

«So wird man billig mit dem Rentnerüberschuss fertig», giftelt auf Facebook eine Kommentatorin über das Angebot in Deutschland. Bei den Schweizer Familien drängt sich ein anderer Verdacht auf: Da sparen sich Kostenbewusste die Putzfrau, die Kita oder – am krassesten – den monatlich 6000 bis 10 000 Franken teuren Heimplatz für die demente Mutter.

 

Bei den jungen Au-Pairs regeln detaillierte Bestimmungen die Arbeits- und Freizeit, die Entschädigungen, Versicherungen und vieles mehr. Für die älteren Nannys gibt es keinen solchen Schutz. «Die Gastfamilien und die durch uns vermittelten Frauen regeln die Bedingungen selber», erklärt «Aupair 50plus»-Leiterin Dana Günther auf Anfrage. Bisher sei noch keine Vermittlung in die Schweiz zustande gekommen, ergänzt sie. Kein Wunder.