seniorweb.ch, 15. März 2022

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Mit 66 Jahren fängt das Lachen an

 

Udo Jürgens hat mit dem Lied über die Wonnen des Alters ein vorverlegtes Paradies besungen. Kabarettisten sehen das anders. Für sie sind die Senioren ein ergiebiger Pointenfundus. Ein Überblick über das Alter als Satirethema im In- und Ausland.

 

Der deutsche Kabarettist Georg Schramm beschreibt einen Nachmittag im Altersheim. Kaffee mit Kuchen gibts. Allerdings nur mit Dichterlesung. Zur literarischen Stunde kommen drei Damen von aussen, Freiwillige. Eine liest, die zwei anderen schauen, dass niemand verschwindet.

 

 

Reeto von Gunten mit Rollator Modell 2050. zvg

 

Senioren und Seniorinnen als Thema. Mit einem solchen Programm ist zurzeit der Schweizer Kabarettist, Radio-Moderator und Autor Reeto von Gunten unterwegs. Er liest in seinem neuen Soloprogramm „2050 – clever vorgesorgt“ aus Tagebüchern. Es sind fiktive Aufzeichnungen über seine künftigen Erlebnisse in 28 Jahren in einem Altersheim. Visionär berichtet der 59-Jährige wie Heim-Direktoren gemobbt werden oder wie brandgefährliche Hobbys enden. Der Altersheimausblick kommt offenbar gut an. Bei seinen Auftritten im Februar in der Berner Cappella belohnten Junge wie Alte von Gunten mit viel Applaus.

 

Pointen I: Senioren habens schwer

 

Von Gunten blickt in die Zukunft. Die meisten seiner Kabarettkollegen glossieren die Gegenwart. Das zeigt eine nicht repräsentative Zusammenstellung über das Humorschaffen in der Schweiz und in Deutschland. Seniorinnen, Senioren, das umfasst Weltumseglerinnen und Sterbende. Nur eine schwer bezifferbare Altersgrenze verbindet sie. Immerhin: Abgesehen von der Rundumseglerinnen und ihren Anverwandten müssen sich die meisten mit Beeinträchtigungen abfinden. Die Humorwerker setzen diese Einschränkungen gerne als Triebwerk für ihre Pointen ein. Der deutsche Komiker und Musiker Kalle Pohl: „Als ich mich heute im Spiegel sah, erschrak ich. Ich hatte mich 30 Jahre jünger in Erinnerung.“


 

 

Georg Schramm: «Dichterlesung im Heim – Marika Rökk ist eine Peep-Show dagegen.»


Kalle Pohl: «Wir werden auch künftig Hörgeräte haben, aber mit Spotify-Account.»


Otmar Traber: «Waren Sie schon mal in der Vorhölle? Nein, ich meine nicht Ihre Ehe.»

 

 

Ähnlich geschockt von Runzeln und Falten erzählt der Süddeutsche Kabarettist Otmar Traber von seinem Saunabesuch: „Seniorensauna, das ist der Ort der Wahrheit.“ Der Münchner Willy Astor bezeichnet sein Schnulzen- und Schlagerset als Seniorenmedley und besingt ziemlich unverblümt eine Reihe von Altersschwächen und -defiziten.

 


 

 

Willy Astor: «Mein Prothese fällt raus, drum drink ich halt nur Bier.»

 

Peach Weber: «Ich habe jetzt eine neue EC-Karte, einstelliger PIN und 30 Versuche.»

 

 

Peach Weber schliesslich verwendet Schweizer Polit-Brauchtum als Pointenquelle: „Bei der letzten Abstimmung sah ich, dass eine alte Frau versuchte, in die Urne zu steigen.“ Auf die Frage weshalb, antwortete sie, dass sie herausfinden wolle, wie sich das anfühlt.“

 

 

Pointen II: Senioren habens gut

 

 

Die Senioren und ihre Defizite, das ist das eine. Die Senioren als Stütze und Hoffnung der Gesellschaft, das ist der kabarettistische Gegenentwurf. Die beiden Kabarettisten Michael Altinger und Christian Springer verkünden in radikal bayrischem Dialekt, dass sie während der Pandemie in die Discos mussten. Weil die Jungen fehlten, sollten die Alten als Statthalter rein ins Vergnügen.

 

 

 

 

Michael Altinger, Christian Springer: «Wir Alten müssen solidarisch jung sein,»


Utta Lindner: «Ihr Jungen spitzt die Ohren, die Zukunft gehört den Senioren.»

 

 

Udo Jürgens hat 1977 Jahren das Seniorenleben als vorverlegtes Paradies besungen, „Mit 66 Jahren fängt das Leben an“. Die Komikerin Jutta Lindner nimmt das Thema auf und beschreibt mit ihrer Bühnenfigur Oma Frieda das Altern in der gleichen Tonlage „Und sind die Zähne unecht – wir haben noch Biss“.

 

 

Pointen III: Senioren haben Familie

 

 

Als Spezialgebiet innerhalb des Themas Senioren im Kabarett kann man die Beziehungen zwischen erwachsenen Kindern und ihren Eltern sehen. Ein schönes Beispiel liefert Hazel Brugger. Sie denkt weitläufig voraus. „Wenn meine Eltern ein teures Möbelstück kaufen, will ich mitreden.“

 


 

Hazel Brugger: «Ich bin jetzt 26, das ist noch nicht so richtig alt, aber für mich ein Rekord.»


Giacobbo/Müller: «Man kann bei den Kindern nicht früh genug anfangen mit Aufklären.»

 

 

Hazel Brugger glossiert ihre Eltern recht liebenswürdig. Härtere Satire-Töne verwenden Viktor Giacobbo und Mike Müller bei ihrem Mutter-Sohn-Erziehungsknatsch. Mutter Giacobbo erklärt dem erwachsenen Sohn Mike, wo die Kinder herkommen: „Die Männer haben einen Wurstzipfel, die Frauen ein Weggli. Wenn eins ins andere hineingelangt, Bub, was fehlt dann noch?“ Mike Müller: „Senf.“

 

 

Sechs Videos aus Deutschland, drei aus der Schweiz. Das Fazit: Die Zusammenstellung lässt erkennen, dass die Komikerinnen und Kabarettisten im Nachbarland anders, direkter, mit dem Thema Alter umgehen. Die Schweizer sind zahmer und zurückhaltender. Die Deutschen sind unverblümter und verletzender.