seniorweb.ch, 29. April 2020


Vorwärts, zurück in die Vergangenheit

Lockerungsübungen: Bald, hoffentlich bald, können wir wieder das haben, was uns Corona genommen hat. Wunderbar wird das. Ach was.

Wow, wie erholsam wäre es jetzt, nach dem Velotürli in der Gartenbeiz ein Glas Weissen zu trinken. Oh, wie wohl täte es, im Café die Zeitung zu lesen. Jesses, wie gemütlich wäre es, im Garten mit Nachbarn eine Wurst zu grillen. Ach wie schön wäre es, im Theater eine Verdi-Oper zu hören. Oder der Fussballmatch, das Ausflugsrestaurant, das Museum, die Schifffahrt, oder, oder, oder.

Jetzt bröckeln die Corona-Einschränkungen. Der Weisswein im Gartenrestaurant rückt näher, die Zeitungen im Café, der Grill-Abend vor dem Haus werden denkbar. Rückkehr ins Paradies also?

Herrjesses, das Ballönli kostet 8 Franken, acht Franken! Im Café hat die blöde Tante alle Zeitungen annektiert, das Grillfleisch ist verbrannt, die Verdi-Oper langweilig, die Fussball-Hooligans sind blöd, im Ausflugsrestaurant und auf dem Schiff sind alle Plätze besetzt.

Das Problem ist corona-unabhängig. Nämlich:  Wir wollen immer das, was wir nicht haben können. Und wenn wir das haben, was wir wollen, ist es längst nicht so toll, wie wir uns das vorgestellt haben.

Zum Beispiel die Frühlingsferien. Dieses Jahr waren sie so realistisch wie der Osterhase. Ohne Corona wären wir ins Tessin gefahren. Und hätten dort Lagerhallen, Tankstellen, XXL-Einkaufszentren erlebt. Genau gleich wie in der Deutschschweiz. Dort, im Tessin, hätten wir ein Schaufenster gesehen, mit dem ein Reisebüro den Tessinern Frühlingsferien in Mallorca angepriesen hätte.

Was hätten die Tessiner in Mallorca erlebt? Lagerhallen, Tankstellen, XXL-Einkaufszentren wie im Tessin. Und ein Reisebüro, das bei den Malloquinern für Ferien in Dubai geworben hätte. In Dubai hätten die Mallorquiner Lagerhallen, Tankstellen und XXL-Einkaufszentren wie in Mallorca erlebt. Und ein Reisebüro, das bei den Bewohnern von Dubai, Emiratis heissen sie,  für Ferien in der Deutschschweiz geworben hätte. Die Emiratis hätten dann in der Deutschschweiz … aber das hatten wir schon.

Jetzt ist halt Corona. Deshalb schwärmen die Deutschschweizer vom Tessin, die Tessiner von Mallorca, die Mallorquiner von Dubai, die Emiratis von  der Deutschschweiz. Obwohl das, was wir wollen, längst nicht so toll ist, wie wir uns das vorgestellt haben.

Wow, wie schön wäre es jetzt in der Gartenbeiz ein Glas Wein zu trinken.