Kolumne seniorweb.ch, 18. Juni 2020

Die Gedanken sind frei. Leider!

„Grillieren gibt perfekte Schenkel“. So wirbt Aldi zurzeit für sein Grill-Sortiment. Hoffentlich merke ich mir das nicht, dachte ich, als ich dies zum ersten Mal las. Auf der Ranking-Liste der zweideutigen sackdummen Sprüche steht dieser Satz ziemlich weit oben. Doch ob ich will oder nicht: Der blöde Barbecue-Hinweis hat sich in mein Gehirn eingebrannt. Dort trifft er auf ein anderes sinnfreies Zitat. Es stammt aus der Einleitung zum Manual meines Autos: „Das Betriebshandbuch gilt nur dieses Fahrzeug.“

Algorythmen bestimmen zusehends unser Leben. Sie präsentieren mir massgeschneiderte Werbung auf dem Compi, empfehlen mir auf Netflix Filme und Serien, die meinem Geschmack entsprechen könnten. Undurchsichtig, unkontrollierbar. Noch weit nebulöser werkelt allerdings das Schwabbelding da oben im Kopf, mein Gehirn nämlich. Es entscheidet, was ich behalte, was ich vergesse, speichert, was niemand wissen will, versagt, bei dem, womit ich punkten könnte. Und richtet Unheil an. Frau Neurologin antworten Sie: Haben meine Synapsen einen Wackelkontakt? Herr Psychologe übernehmen Sie: Hatte ich eine frühkindliche Schlafstörung?

„Jede Erkenntnis ist ein Identifizieren des Nichtgleichen.“ Das ist von Friedrich Nietzsche und unverständlich. Aber wenn mir so etwas einfiele, ich wäre der Star auf jeder gehobenen Party.  Was kommt mir stattdessen in den Sinn: „Grillieren gibt perfekte Schenkel.“ Da klopft sich zwar der Macho-Pulk auf die oben erwähnten Schenkel. Doch bei der Feministinnen-Fraktion ernte ich Kopfnüsse. Und die #MeToo-Front zieht mich an den Ohren.

Ähnliches passiert mit der Musik. Statt Anspruchsvolles schleichen sich Ohrwürmer in die Gehirnwindungen und werden dort heimisch, Volkslieder, Schlagerschrott. “S Vogellisi chunt vo Adelbode her“, bringe ich trotz gutem Zureden nicht mehr raus. Wie viel lieber würde ich doch Stockhausen summen oder Schönberg trällern.