Quartierzeitschrift "Arena", März 2019

 

Im Rossfeld sind noch viele Behindertenwohnungen frei

So schön, so günstig. Trotzdem werden anfangs Mai in der Überbauung für Behinderte im Rossfeld längst nicht alle bezugsbereiten Wohnungen belegt sein. Sie stehen leer, weil die Abklärungs-Maschinerie langsam arbeitet.

45 neu erstellte Wohnungen an bester Lage mit allem Komfort zu Preisen weit unter dem Marktüblichen: ein bis dreieinhalb Zimmer zu 1080 bis 1770 Franken alles inklusive. Diese Schnäppchen-Apartments sind jetzt im Februar erst zu 40 Prozent vermietet oder auch bloss reserviert. Die Überbauung für körperlich Behinderte im Rossfeld  ist ab anfangs Mai bezugsbereit. Anzunehmen ist, dass dann viele Wohnungen leer stehen werden.

Auf den ersten Blick erstaunt das. Wenn man genauer hinsieht, wirds verständlicher. Wer hier einzieht hat meist  einen langen Behördenparcours hinter sich. Geduld brauchen die Interessenten zum Beispiel bis feststeht, wie viel Ergänzungsleistungen sie erhalten und ob damit die Wohnkosten erschwinglich sind. „Die Vermietung entspricht unseren Erwartungen“, erklärt Chris Duisberg. Er ist Portfolio Manager von Ecoreal, der Anlagestiftung, welche die Bauten im Rossfeld als Investor realisiert hat. Er erwartet, dass ab Herbst alle Einheiten belegt sind.

Anderswo schocken hohe Mieten

Wer in Bern nach Wohnungen für Körperbehinderte sucht, wird auch auf den Immobilienportalen fündig – oft allerdings zu Schockpreisen von 3000 und mehr Franken. Das Projekt in unserem Quartier lockt jedoch nicht nur mit moderaten Mieten. Rolli-Fahrerinnen und -Fahrer brauchen hier keine Liftknöpfe zu drücken. Die drei Stockwerke sind durch Innenrampen erschlossen. Und noch wichtiger: Die Bewohner können die Angebote des benachbarten Schulungs- und Wohnheims nutzen.

Behinderte treffen damit auf Behinderte. Je nach Sichtweise kann man das als Ghetto beklagen, als Cluster loben oder im Szenendeutsch als Kompetenzzentrum charakterisieren. Chris Duisberg: „Die Mieter profitieren von der guten Wohnsituation und vom nahen Heim.“ Ein Ghetto sei nicht zu befürchten, weil sowohl Menschen mit und ohne körperliche Beeinträchtigungen hier leben würden.

Auch Nichtbehinderte willkommen 

Auch Nichtbehinderte sollen hier also wohnen, gemäss den Bestimmungen bis zu einem Drittel. Weil sich die Situation laufend verändert, kann Chris Duisberg nicht sagen, wie viele es bei der Eröffnung tatsächlich sind. Die Limite wird jedenfalls nicht erreicht. Günstige top ausgebaute Mietobjekte sind in Bern selten. Trotzdem werden hier Wohnungen leerstehen. Das hat verschiedene Gründe. Möglicherweise kennen zuwenige das Angebot. Problematischer ist der Verdacht, dass der tägliche Umgang mit Behinderten auch heute noch abschreckt.