Berner Zeitung, 27.7.2015


Was uns wirklich beschäftigt


Die Welt steht vor wirklich grossen Problemen: das Klima, die Griechen, Roger Köppel. Aber im Innersten beschäftigt uns anderes.


Die Armlehnenfrage. Wer hat im Kino oder Theater das Recht auf die Armlehnen? Als Siegertyp beanspruche ich beide. Als Demokrat stütze ich nur einen Ellbogen ab. Als Softie verzichte ich vollständig. Als Stratege erobere ich Terrain, wenn der Nachbar, die Nachbarin sich zurückzieht.


Der Verbotsreflex. Welche Gesetze soll ich übertreten? Die pfundschweren machen ja irgendwie Sinn. «Du sollst nicht töten» ist voll okay. Die etwas kleineren zu missachten, macht hingegen Spass. Allerdings individuell. «Rasen betreten verboten»: Nie und nimmer würde ich mich diesem Verbot widersetzen. Heisst es bei einem Waldweg jedoch «Durchgang untersagt», muss ich zwanghaft durch. Meine Partnerin tickt anders. «Steinschlaggefahr» – nichts wie hin. «Hier wacht Chihuahua Shila» – nichts wie weg.


Der Grusskomplex. In geschlossenen Räumen oder bei Gruppen ist die Konvention klar. Grusspflicht für jene, die von aussen kommen, Grusszwang für jene, die zum Rudel stossen. Aber sonst? Auf der Wanderung, im Quartier, wo man sich kennt? Grüsst Mann Frau? Grüsst Alt Jung? Der Erstgrüsser unterliegt in der Hackordnung, der Zweitgrüsser ist unhöflich. Mein Tipp: So lange warten, bis man am Grussgegner fast vorbei ist. Dann laut grüssen. Fast alle reagieren beschämt.


Die Wägeli-Entscheidung. Wer darf als Erster ran, wenn im Supermarkt neben Kasse 1 unverhofft auch Kasse 2 öffnet? Jener, der am längsten gewartet hat? Er ist als Vorderster in der Schlange eingeklemmt und hat beim Wägeli-Run damit einen schlechten Start. Oder jene, die weniger lang hier sind? Sie stehen weiter hinten, sind damit beweglicher und so in günstiger Poleposition.


Die Hierarchiefalle. Soll ich den Chef überholen? Beide sind wir am Bierhübeli- Stutz mit dem Velo unterwegs. Kurve ich an ihm vorbei, zeige ich, dass ich dynamisch, voll fit und leistungsbereit bin. Aber wie verarbeitet er das? Strample ich mit einem Hübeli-Spurt die Karriereleiter hoch, oder riskiere ich hier am Henkerbrünnli Kopf und Kragen?