Berner Zeitung, 8.9.2014


Rent a Rentner. Ach was, eine Rentnerin tuts auch


Meiner konnte kaum mehr laufen», sagt Frau Jämmerli. «Bei meinem wars noch schlimmer», steigert Frau Kümmerli, «nach dem Schlegli musste ich ihm beim Essen helfen.» – «Das ist noch gar nichts», toppt Frau Chlööni (alle Namen typähnlich), «meiner hatte es im Kopf und wusste nicht mehr, wie man Socken anzieht.»

Letztes Mal beschrieb ich das wettkampfmässige Erzählen von Ferienerlebnissen. In die Champions League steigt auf, wer mit der unhöflichsten Bedienung in Andernos-les-Bains oder mit dem dreckigsten Hotelzimmer in Kastro Kyllini aufwartet. Eine Leserin ergänzt nun den Kampf um die Aufmerksamkeit mit eigenen Beobachtungen. Alte Damen und Witwen übertrumpfen alte Damen und Witwen mit Beschreibungen von Siechtum und Ableben ihrer Gatten.

Das mit dem Sterben ist so eine Sache. Wenden wir uns dem wirklich Unangenehmen zu, der Arbeit. Es gibt mehrere Internetplattformen für Senioren, die bezahlte Beschäftigungen suchen, vom Büsifüttern bis zum Häuserbauen. Beim Onlinedienst rentarentner.ch geben die Arbeitswilligen an, wie verfügbar sie sind, von «frei» über «gut ausgelastet» bis «komplett ausgebucht».

Dies erlaubt festzustellen, in welchen Branchen ältere Arbeitskräfte Erfolg haben. Weil die Zahl der Getesteten klein ist, hat meine Untersuchung methodische Mängel. Als Trendmarker taugt sie allemal. Die Wertung: 1 bedeutet, dass in dieser Branche niemand Rentner buchen will. 10 bedeutet, dass Senioren supergute Chancen haben.

Die Höhenflieger und Abschiffer bei den Männern: Am gesuchtesten sind Senioren, die malen, flachmalen. Sie erzielen den Spitzenwert von 8 Punkten. Offenbar niemand will Lebensberater. Sie müssen sich mit 1,5 Punkten begnügen. Top bei den Frauen sind Pflegerinnen, 7 Punkte. Ihnen folgen Damen, die Geschirr abwaschen (6 Punkte). Die schlechtesten Karten haben Seniorinnen, die sich ein Zubrot als Jasspartnerinnen verdienen wollen: 4 Punkte.

Aha: Kräftige Kerle klotzen, willige Weibchen waschen. Es kommt noch knüppeldicker, wenn wir die Entschädigungen untersuchen: Männer sind selbstbewusst und fordern mehr Geld. Frauen kuschen und begnügen sich mit weniger. Zwei Drittel der Männer haben fixe Tarife, ein durchschnittlicher Mietrentner kostet pro Stunde 37 Franken. Weniger als ein Drittel der Frauen wagt klare Ansagen – nämlich im Schnitt bloss 29 Franken. 70 Prozent der Seniorinnen sind also bereit, übers Geld zu reden – und vermutlich nachzugeben.

Das schreit nach Geschlechterkampf. Das schreit nach Gewerkschaftern im Ruhestand. Wobei: Pensionierte Gewerkschafterinnen tuns auch. Die sind billiger.