Berner Zeitung, 25.9.2013


Wir Alten fordern ein Nachtleben vor dem Ableben


Letzte Woche hat die Stadt Bern ihr Nachtlebenkonzept vorgestellt. Gut so. Das Hobby der jungen Konsumenten, auch morgens um drei psychoaktive Flüssigkeiten in sich hineinzuschütten, verdient unser Wohlwollen. Schön auch, dass die Stadt dies nun als Kulturgut wertet: Abfallberge haben eine starke Bildkraft. Grölen, kotzen und urinieren sind ernst zu nehmende Ausdrucksmittel. Die Pläne erfreuen junge Kulturtäter. Und lassen eine andere Randgruppe hoffen: Senioren.

 

Auch wir wollen einen Zustupf ins Vergnügungskässeli. Die Alten dürfen froh in die Zukunft gucken – das Konzept enthält Massnahmen, die ihnen nützen. Wenn Veranstaltungen in der Ausgehzone mit einem Beitrag rechnen können, darf das Altersheim Abendfrieden für den Spielnachmittag von einem gefüllten Jasskässeli profitieren.

 

Auch wir wollen überall pinkeln. Die Stadt installiert mehr WC-Anlagen. Die in der Nägeligasse haben Trieb und Drang. Die mit den weissen Haaren haben bloss noch Drang. Verrichtungsboxen helfen den einen wie den anderen.

 

Auch wir wollen spontan den Wald versauen. Die Behörden erteilen nun Spontanbewilligungen für Partys im Wald und in Parks. Grosseltern dürfen jetzt beim Spazieren mit den Enkeln deren Windeln in die Büsche schmeissen. Die Stadt will das Moonliner-Angebot ausweiten. Betagte freuen sich, dass Betax und Easycap künftig so günstig werden wie die Bernmobil- Nachtfahrten.

 

Auch wir wollen Saufzonen mit integrierter Präventionskampagne. Die Behörden möchten Besäufnismeilen. Die Besucher sollen aber dort nicht trinken, sondern sich bitte sensibilisieren lassen. Sensibilisierung, wir wissen es, das bedeutet in Bern mahnende Plakate. Die Betagten fordern nun zu Recht, dass auch sie in den Genuss solcher Erziehungsbemühungen kommen. Alkoholismus, auch das wissen wir, ist in manchen Altersheimen ein Problem. Dankbar werden die Bewohner des Abendfriedens am Jassnachmittag zur Affiche blicken.

 

Das war der Ironieteil. Jetzt folgt der Ernst des Lebens, des Nachtlebens. «Die Stadt Bern betrachtet das Nachtleben als Teil des Kulturlebens.» Wirklich. Wörtlich. Ernstlich.