Berner Zeitung; 25.3.2013


Grosis sind die wahren Ausländerinnen


Zurzeit sind in Bern Plakate zu sehen, meist im Doppelpack. Auf dem einen ist ein Mann, auf dem anderen eine Frau. Mit einer Bildbearbeitungssoftware hat man den beiden die Farbe aus dem Gesicht getrieben. Jetzt sehen sie aus, wie man sich Wasserleichen vorstellt. Der Titel des Plakats warnt, dass uns allen dieses Schicksal droht: «Rassismus macht krank.»

 

Das wirft als Erstes die Frage auf, wie blöd Werbung sein darf. Ich habe in der Branche gearbeitet und weiss: sehr blöd. Die Plakate gehören zu einer Aktionswoche der Stadt Bern. Als Zweites fragt man sich deshalb, wie dringend die Schweiz eine Kampagne gegen Rassismus braucht. Wir sind ein Land, das einen rekordhohen Ausländeranteil und rekordwenig Probleme damit hat.

 

Dass es so gut klappt, liegt nicht an Wasserleichen-Plakaten, sondern daran, dass wir erfahren haben, dass Menschen, die welsch oder sonst wie komisch reden, trotzdem gmögig sein können. In dieser Zeitung stand, wie das mit dem Plakat gemeint ist. Rassismus und damit die Gefahr, tot ans Ufer geschwemmt zu werden, beginnt im Kleinen, im Klitzekleinen.

 

Einen Ausländer zu fragen, weshalb er ein Auto habe, sei fremdenfeindlich, war zu lesen. Quatsch. Wenn jemand wenig verdient, nimmt es mich wunder, wie er den halben Tausender zusammenbringt, den ein Auto monatlich kostet. Das gilt für die Familie Pararajasingam wie auch für den Sozialhilfeempfänger Rüdisühli, der das Auto braucht, um zur Jodelprobe zu fahren.

 

Klar verdiene ich Prügel, wenn ich beim Unwort N*g*r die Sternchen mit e ersetze. Aber watschen sollte man dann auch jene, welche die Alten diskriminieren. Es gibt bei uns erfreulich wenig Ausländerfeindlichkeit, aber unerfreulich viel Gedankenlosigkeit gegenüber Betagten. Ebenfalls in dieser Zeitung war vor kurzem zu erfahren, welches Auto sich besonders für Ältere eignet: das XY-Modell nämlich, weil man bequem einsteigen kann. Wenn das so ist, dann ist es doch viel eher ein Wagen für Fette, für Schwangere oder für Menschen mit Bandscheibenproblemen als einer für Senioren.

 

Schnuckelattribute in den Nachrichten gehören in die gleiche Schublade. Reale Titelbeispiele: «Hund rettet Grosi», «Opa auf Kokain-Trip» und mein Favorit: «Grosi braucht ein Laufgitter». Die beiden Begriffe eignen sich besonders gut dafür, die Senioren per Enkeltrick in die Deppenecke zu stellen: Opas und Grosis sind überfordert, harmlos und sympathisch-blöd. Alle über 60-Jährigen so zu etikettieren, ist in Watte verpackter Generationenrassismus.