Berner Zeitung, 3.12.2012


Auch alte Prostituierte wollen aussteigen


Was tun alte Prostituierte, wenn die Freier ausbleiben? Wenn sie gespart haben, können sie das Bett gegen einen Ruhesessel tauschen. Wenn sie kein Geld haben, gehen sie zur Sozialhilfe. Wenn sie Haare auf den Zähnen haben, spezialisieren sie sich – davon später.

 

In der Berner Lorraine gibt es am Lagerweg 12 mehrere Sexsalons. Weil sie den Zonenvorschriften nicht entsprechen, will sie die Stadt schliessen. Vorläufig sind die Sexgewerblerinnen aber immer noch am Arbeiten. Einige sind älter. Einige sind alt.

 

«Sie sind nicht mehr knusperig genug», sagte der Verwalter dieser Liegenschaft gegenüber dieser Zeitung. «Deshalb haben die Frauen Existenzprobleme.» Die Betroffenen wollten sich nicht äussern. Doch beschrieb eine Kennerin dem Kolumnisten die Nöte älterer Prostituierten. Sie will anonym bleiben.

 

Sparen ist nicht die herausragendste Eigenschaft in dieser Branche. Immerhin gibt es Frauen, die genügend beiseitegelegt haben. Bei den allermeisten fehlen diese Reserven. Früher nannte man Sexarbeiterinnen gefallene Mädchen. Angejahrt plumpsen sie jetzt gerne ins solide Schweizer Sprungtuch und nutzen AHV und Ergänzungsleistungen.

 

Schwierig wird es für die noch nicht 64-Jährigen. Jobs finden sie ganz selten. In Einzelfällen kommen sie in der Altenpflege oder bei Grossverteilern unter. Um die Bewerbungschancen zu erhöhen, schönen die Frauen ihre Lebensläufe: Statt Sexarbeit listen sie während der problematischen Jahre eine Nebenbeschäftigung auf. Aber das nützt nichts.

 

Die meisten Aussteigerinnen gehen deshalb aufs Sozialamt. Ausser in einigen Landgemeinden behandelt man sie dort meist vorurteilslos. Probleme gibt es, weil Sozialarbeiter gerne Belege haben und Sexworkerinnen keine liefern können: Freier schreiben keine Auftragsbestätigungen. Ins Reich der sexuellen Fantasien gehört, dass alte Prostituierte Puffmütter werden. Für solche Etablissements braucht es Geld, das diese Frauen nicht haben.

 

Düster sieht es aus im Rotlichtmilieu. Immerhin glühen Hoffnungsschimmer. Manchen Damen bleibt die Stammkundschaft erhalten und altert treu mit. Und schliesslich können sich Hardlinerinnen spezialisieren: Als Dominas sind auch Seniorinnen erfolgreich.