Berner Zeitung, 14.11.2011


Aus Steiger
Wir sind weniger blöd, als die Werbung erlaubt


Vor Jahrzehnten habe ich mal als Texter in einer Werbeagentur gearbeitet. Wir hatten einen dicken Fisch als Kunden, eine unterdessen eingestellte Kosmetiklinie eines immer noch bestehenden Pharmaunternehmens. Gewisse Produkte führten bei einigen wenigen Frauen zu Hautrötungen.


Das war schon damals ein Super-GAU. Doch statt ihre Erzeugnisse zu verbessern, beauftragte uns die Firma, die Beautyreihe neu zu positionieren. Ich glaube, wir schwafelten tatsächlich was von «Wirkung, die man sieht». Werbung tendiert dazu, ihre Kundschaft für blöder zu halten, als sie ist.

 

Zur Ehrenrettung der Werber seis gesagt: Nicht sie, sondern ihre Auftraggeber, die Firmen, glauben, dass Käufer und Käuferinnen im Vorschulniveau stecken geblieben sind. Das zeigt sich auch bei der Werbung für und mit Senioren. Seis für Print, TV oder Internet: Als Erstes fällt auf, wie verschieden Männer und Frauen daherkommen. In der Werbung für die unter 50- bis 60-Jährigen sind die Männer kompetent und zielstrebig und die Frauen schmückendes Beiwerk.

 

Bei Seniorinnen ersetzt der Grosi-Effekt diese Deko-Wirkung. Ältere Damen backen Kuchen oder kümmern sich um Enkelkinder. Eine Studie bestätigt diese Beobachtungen. Die Technische Universität Dresden hat vor drei Jahren untersucht, wie die Werbung alte Menschen anspricht. Gemäss diesem Unibefund gibts neben der lieben Oma zwar auch den netten Opa, oft in der leicht angetrottelten Form als Kinderfreund.

 

Doch dürfen die Herren daneben auch mal als Experten oder Exzentriker auftreten. Die Studie liefert weiter Zahlen zum deutschen Fernsehkonsum. Bei uns sind die Daten wohl ähnlich. Ältere Menschen kommen nur in 9 Prozent der Werbezeit vor – der Anteil der über 65-Jährigen ist aber doppelt so hoch, nämlich 17 Prozent. Und noch wichtiger: Keine andere Bevölkerungs- oder Altersgruppe schaut so lange hin: Wer über 65 ist, guckt täglich fünf Stunden TV.

 

Dennoch sollte man nicht allzu heftig auf die Werber einprügeln. Produkte für Senioren anpreisen ist extrem schwierig. Zum Beispiel Windeln. Die gibt es für kleine Kinder und für alte Leute. Babys mit Pampers sind süss, Greise mit Pampers sind …na ja.
peter.steiger@bernerzeitung.ch