seniorweb.ch, 15. April

 

Gestatten: Doktor honoris causa Graf von Falkenstein

Es geht uns doch allen gleich. Nun ja, fast allen. Ein bisschen mehr Anerkennung, etwas mehr Bling-Bling würde uns guttun. Zum Beispiel ein Adelstitel oder akademische Würden. Wir zeigen, wo es Glanz der besonderen Art zu kaufen gibt.

Das Internet hat Produkte und Dienstleistungen zu tage gebracht, von denen wir vorher gar nicht wussten, dass es sie gibt. Dazu gehört der Erwerb von Titeln, Auszeichnungen und Bestätigungen. Vieles davon lässt sich in ein Quatsch-Rating einordnen, in eine nach unten oder oben offene Mumpitz-Skala. Manches ist reiner Nonsense, anderes schwieriger einzuordnen, ein Teil grenzt an Missbrauch oder Betrug.

Ziemlich weit oben in dieser Reihenfolge (oder unten, je nach Standpunkt) ist der Markt mit kirchlichen Titeln. Mit dabei ist das California Church & University Institut. Die Organisation mit dem wohlklingenden Namen vermittelt kirchliche Titel: Pastor, Bischof, Abt. Für 115 Franken erhält man eine Bestätigung, dass man nun ein kirchliches Amt hat. Ausser Geld braucht es keine weiteren Einsendungen. So was ist eindeutiger Schwachsinn und taugt nicht mal zum Missbrauch.

Eine Stufe höher ist der Blödsinn mit den Adelstiteln. In dieser Branche gibt es mehrere Portale, die mit klangvollen Prädikaten um sich werfen: Gräfin, Herzog, Baronin. Die Discount-Blaublüter erhalten eine reichlich geschmückte Urkunde mit allerlei Zierrat. Ich habe mich entschieden, Graf von Falkenstein zu werden. Noblesse oblige: Ich musste rund 30 Franken zahlen.

Die Anbieter wissen natürlich, dass sie nichts als lauwarme Luft verkaufen. Wenn die Käufer oder Käuferinnen bei Verstand sind, erkennen sie das ebenfalls. Trotzdem bemühen sich die Vermittler dem Deal einen passenden Anstrich zu geben. Da ist zum Beispiel von einem Maximilian Graf Heitzer von Leuchtenberg die Rede. Dieser Graf sei von der Prinzessin Angela von Hohenzollern und Queen Legaspi von Mindanao nobiliert worden. Dieser Edelmann ermögliche nun, Graf oder Gräfin von Lilienthal zu werden. Ein Feld-, Wald- und Wiesen-Adliger, der à gogo Grafentitel feilbietet, das ist sogar für uns Schweizer als Unsinn erkennbar.

Nun haben wir uns mit scheinheiligen kirchlichen Würden ausgestattet und die Bling-Bling-Welt des Instant-Adels kennengelernt. Wo aber können wir unserem Dasein intellektuelle Glanzlichter aufsetzen? Wir wissen Rat. Mehrere Anbieter wollen unser Leben mit akademischen Titeln bereichern und uns schwuppdiwupp zu Ehrendoktoren und -professoren befördern. Zusammengefasst: Sie verkaufen für wenig Geld den gleichen wertlosen Kram, den wir beim Kirchen-Mumpitz und Adelsschnickschnack kennengelernt haben.

Allerdings treffen wir hier auch auf eine Titelvermarktung mit höherem Anspruch  (und höherem Missbrauchsrisiko). Melinda und Eberhard Bräun vermitteln akademische Ehrentitel, Doktor oder Professor honoris causa. Eberhard Bräun hat das Unternehmen 2020 seiner Gattin Melinda übergeben. Seniorweb hat vor anderthalb Jahren über den bräunschen Titelhandel berichtet. Eberhard Bräun hat Seniorweb und den Autor daraufhin mit Beleidigungen eingedeckt, die nicht zu publizieren waren.

Seither ist der Internet-Auftritt noch kryptischer geworden. Der Grund für die diffusen Angaben ist wohl die Nähe zur Illegalität. Das aus Deutschland stammende Paar arbeitet seit Jahren in Kreuzlingen. In ihrer Heimat wäre ihr Tun verboten. In der Schweiz ist es  zwar erlaubt, aber milde gesagt angefeindet.

Für rund 30'000 Franken erhält man einen Ehrendoktortitel, ausgestellt von einer Universität in Kirgisien. Die Urkunden sind damit nicht so eindeutig als Quatsch einzuordnen. Das hat einen Basler Lokalpolitiker und früheren Grossrat dazu bewogen, den Titel offiziell und ohne den Zusatz „h.c.“ zu verwenden. Darauf angesprochen hat er dies als „Irrtum“ bezeichnet. Ähnlich reagiert hat der umstrittene Genfer Immobilieninvestor Jürg Stäubli. 

Die beiden Fälle führen zur Frage, was solche Titel und Würden in der Praxis bedeuten. In der Schweiz ist es erlaubt, Ehrendoktor-Titel nicht nur zu vermitteln, sondern auch zu führen. Gemäss dem Eidgenössischen Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung ist in amtlichen Dokumenten der Zusatz „h.c.“  anzugeben. In Bewerbungsschreiben, Lebensläufen und so weiter muss allerdings die Herkunft der Auszeichnung erwähnt werden. Deutschland ist strenger: Gekaufte Ehrendoktor-Titel dürfen nicht getragen werden.

Ähnlich wie Künstlernamen dürfen Neo-Adlige ihren Titel zum Aufpeppen führen. Ich kann im Restaurant einen Tisch für Graf von Falkenstein reservieren. Ich dürfte auch diesen Text so unterzeichnen. Bekäme ich ein Honorar dafür, würde das Geld allerdings auf ein bloss bürgerlich beschriftetes  Bankkonto fliessen, Peter Steiger, Bern. Das Exempel ist jedoch hypothetisch: Bei Seniorweb arbeiten die Redaktionsmitglieder unbezahlt.

Zum Schluss habe ich aus einer verwandten Branche noch einen Freudenspender - oder eine Ärgerquelle, je nachdem. Über eine Website, die wir hier lieber nicht nennen wollen, kann man ärztliche Atteste herunterladen. Formular ausfüllen, einsenden, 12 Franken überweisen, fertig. Ach ja, das Papier wirklich zu verwenden ist strafbar.